Bundesgerichtshof Preisrätselgewinnauslobung I
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Aktenzeichen:    I ZR 104/93
Verkündet am:
07.07.1994

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Bundesgerichtshof

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL



Tatbestand

Im Verlag der Beklagten erscheint unter anderem die Zeitschrift "T.". In der Ausgabe vom 15. Mai 1991 waren Rätsel abgedruckt, die die Leser lösen sollten. Eines der Rätsel war wie nachstehend in Schwarzweißphotokopie wiedergegeben, jedoch im Original farbig, gestaltet:

[An dieser Stelle ist im Original das Kreuzworträtsel im Kontext der beanstandeten Preis(produkt)vorstellung abgebildet.]

Der Kläger, ein rechtsfähiger Verband, der satzungsgemäß die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs überwacht, hat den Abdruck beanstandet, weil die Beklagte für das abgebildete Erzeugnis in redaktioneller Form werbe, wodurch die Leser irregeführt würden. Außerdem mißbrauche die Beklagte den redaktionellen Teil der Zeitschrift zu Werbezwecken. Die Vertreiberin der Kräuterbäder habe nicht nur die Preise der Beklagten zur Verfügung gestellt, sondern darüber hinaus auch ein Entgelt an die Beklagte gezahlt, das sich in dem Bereich dessen bewege, was üblicherweise für eine Anzeige zu zahlen sei.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat eine Irreführungsgefahr in Abrede gestellt, weil es sich bei den Preisrätseln für die Leser erkennbar weder um eine sachliche Information noch um eine Anzeige, sondern um eine eigene Kategorie handele. Die Herstellerin des Badeöls stelle ihr die Erzeugnisse zur Verfügung, während sie selbst die Rätsel veröffentliche; beide verfolgten gemeinsam das Ziel, die Leser zu unterhalten, wobei eine gewisse Werbung für das Erzeugnis eine unwesentliche Nebenfolge sei.

Das Landgericht hat dem auf Unterlassung der Veranstaltung von Preisrätseln, bei der die Preise anders als durch Nennung ihrer Bezeichnung im Vertrieb, ihres Herstellers oder ihrer objektiven Beschaffenheit sowie ihrer Abbildung ausgelobt werden, gerichteten Begehren stattgegeben.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Beklagte entsprechend einem geänderten Antrag unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr in periodisch erscheinenden Druckwerken ein Preisrätsel in der Weise zu veranstalten, daß die Preise unter Nennung ihres Namens und der Darlegung ihrer Qualität ausgelobt werden, wenn dies so geschieht, wie in dem nachfolgend wiedergegebenen Preisrätsel. (Es folgt die Abbildung, die vorstehend im Tatbestand wiedergegeben ist.)

Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.


Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat in der Veranstaltung des Kreuzworträtsels unter Auslobung der Preise für die richtige Lösung einen Verstoß gegen § 3 UWG gesehen. Die Auslobung des Preises in einem Kreuzworträtsel, einem Gewinnspiel, könne unter dem Gesichtspunkt des § 1 oder § 3 UWG unzulässig sein, wenn die Gesamtwürdigung ergebe, daß nicht die sachliche Unterrichtung der Leser, also die Vorstellung des Preises, im Vordergrund stehe und die damit unvermeidlich verbundene Werbewirkung nur eine in Kauf zu nehmende Nebenfolge sei, mithin nicht Sachlichkeit, sondern die Sprache der Werbung herrsche. Die Trennung von Werbung und redaktionellem Text sei deshalb gerechtfertigt, weil Leser der Zeitschrift annähmen, im redaktionellen Teil der Zeitung die objektive Meinung der Redaktion zu erfahren. Vorliegend stehe die Werbung im Vordergrund, wie die farbig aufgemachte Veröffentlichung nach ihrer Überschrift und der weiteren Wortwahl zeige. Die Beklagte könne sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, die Leser sähen in Kreuzworträtseln keinen redaktionellen Beitrag, sondern eine Unterhaltung ohne Informationswert, die einen zusätzlichen Anreiz zum Erwerb der Zeitschrift bieten solle. Es sei vielmehr möglich, daß nicht völlig unbeachtliche Teile der interessierten Leser der Ansicht seien, die anpreisenden Aussagen, die sich auf das ausgelobte Produkt bezögen, seien das Ergebnis einer Begutachtung durch die Redaktion der Zeitschrift. Es liege nahe, daß Leser aufgrund der Anpreisung unabhängig von der Lösung des Kreuzworträtsels versuchen würden, das angegebene Erzeugnis im Handel zu kaufen. In einer Zeitung oder Zeitschrift werde alles, was nicht - wie insbesondere Anzeigen - eindeutig der Werbung zuzurechnen sei, als redaktioneller Teil angesehen. Es sei einem Verlag nicht verwehrt, Eigenwerbung zu betreiben und dazu auch die Mittel der Unterhaltung der Leser durch ein Preisrätsel zu nutzen. Sachliche Beschreibungen der ausgelobten Preise seien daher nicht zu beanstanden. Soweit diese Angaben jedoch in übertriebener werblicher Herausstellung erfolgten, sei keine zulässige Eigenwerbung mehr gegeben. Es komme danach nicht mehr darauf an, ob der Unterlassungsanspruch auch deshalb begründet sei, weil die Beklagte von der Herstellerin ein Entgelt erhalten und weil sie die Aufwendungen für den Kauf der ausgelobten Preise erspart habe.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß die Beklagte bei der Abbildung des Preisrätsels in Wettbewerbsabsicht gehandelt hat. Sie hat selbst eingeräumt, daß sie mit dem ausgelobten Preis nicht nur das Interesse der Leser an ihrer Zeitschrift verstärken, also für diese selbst werben wollte, sondern auch den Zweck einer - jedenfalls "mitschwingenden" - Werbung für das ausgelobte Erzeugnis verfolgt hat.

2. Eine solche Produktwerbung in der hier vorliegenden konkreten Form hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsverstoß als wettbewerbswidrig beurteilt.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in der Veröffentlichung eines redaktionellen Beitrags, welcher ein Produkt über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend darstellt, schlechthin eine sittenwidrige Förderung fremden Wettbewerbs zu sehen sein. Der Verstoß gegen die guten Sitten des Wettbewerbs liegt in einem solchen Fall - auch ohne daß der Beitrag gegen Entgelt geschaltet ist oder in Zusammenhang mit einer Anzeigenwerbung für das genannte Produkt stehen muß - darin begründet, daß der Verkehr dem redaktionell gestalteten Beitrag als einer Information eines am Wettbewerb nicht beteiligten Dritten regelmäßig größere Bedeutung und Beachtung beimißt als entsprechenden, ohne weiteres als Werbung erkennbaren Angaben des Werbenden selbst (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.1993 - I ZR 14/91, GRUR 1993, 561, 562 = WRP 1993, 476 - Produktinformation I; Urt. v. 30.6.1994 - I ZR 167/92 - Produktinformation II, zur Veröffentlichung bestimmt, jeweils m.w.N.).

b) Diese Grundsätze sind vorliegend jedoch nicht ohne weiteres und jedenfalls nicht ohne gewisse Modifikationen anwendbar, weil Preisrätsel zwar auch dem redaktionell gestalteten und zu verantwortenden Bereich einer Zeitschrift im weiteren Sinne zuzuordnen sind, für sie jedoch andere Maßstäbe zu gelten haben als für den der Unterrichtung des Leserkreises und der Meinungsbildung dienenden engeren redaktionellen Bereich; denn anders als bei den dem letzteren zuzuordnenden Meldungen, Berichten, Leitartikeln o.ä. erwartet der Leser bei Preisrätseln in erster Linie spielerische Unterhaltung und Gewinnchancen. Er wird regelmäßig auch erkennen, daß beides ihm als Anreiz für den Kauf gerade der Zeitschrift geboten wird, die das Preisrätsel veranstaltet, und daß ihm damit also auch eine Form der Werbung für diese Zeitschrift entgegentritt. Eine solche aber wird regelmäßig mit anderen Augen gesehen und in ihrem Aussagegehalt anders beurteilt als ein redaktioneller Beitrag im engeren Sinne. Daher kann nicht ohne weiteres jede positiv gehaltene Vorstellung der ausgelobten Preise als verdeckte redaktionelle Werbung für den (namentlich genannten) Hersteller beurteilt und als solche untersagt werden; denn in den Grenzen des Normalen und seriöserweise Üblichen gehört sie zum Anreiz für die Beteiligung am Rätselspiel und der davon erhofften Werbewirkung für den Absatz der Zeitschrift, was der Verkehr im allgemeinen auch erkennen wird.

Jedoch tritt dieser Charakter einer erkennbaren Eigenwerbung dann in den Hintergrund, wenn das ausgelobte Erzeugnis sowohl optisch als auch nach dem Inhalt der begleitenden Aussagen in einer Weise in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt und lobend herausgestellt wird, daß sich beim Leser der Eindruck einstellen muß, hier sei von der Rätselredaktion - in einem vermeintlich objektiven Auswahlverfahren - ein Erzeugnis als Preis ausgesucht worden, das nicht nur die im Regelfall erwähnte (positive) Eignung eines solchen, sondern so außerordentliche Qualitäten aufweise, daß es jedenfalls ein lohnendes, vergleichbaren Produkten überlegenes Objekt für einen käuflichen Erwerb darstelle.

c) So liegt der Fall hier. Bei der angegriffenen Gestaltung des Preisrätsels springt optisch die Produktabbildung mit dem deutlich erkennbaren Herstellernamen beherrschend ins Auge. Mit der gleichfalls erkennbaren Produktbezeichnung "Melissenölbad" korrespondiert die daneben - ebenfalls blickfangmäßig - angebrachte Textüberschrift "Schön durch Kräuter-Ölbad", durch die eine Eigenschaft des abgebildeten Produkts nicht nur sachlich, sondern durch Sinnübertragung überhöht ("Schön durch ...") bezeichnet wird. Der gleiche preisende Tonfall setzt sich im Text selbst fort, und durch die ebenfalls ins Auge springende Abbildung der Schalen für die Essenzen wird der angebliche Heilzusammenhang des Bades noch mehr verstärkt. Dies ist - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - keine im Rahmen einer Preisrätselveranstaltung zu erwartende Produktvorstellung mehr, sondern die Darstellungsweise und der Tonfall von Werbung, die hier jedoch, weil nicht vom Hersteller, sondern von der Redaktion ausgehend, nicht ohne weiteres als solche erkennbar und daher geeignet ist, den Leser in unsachlicher und wettbewerbsrechtlich anstößiger Weise zu beeinflussen.

III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.