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Landgericht Lüneburg
Geschäfts-Nr.:
 4 O 356102

Verkündet am: 17.06.2003
Geil, Justizangestellte
als Urkundsbearntin der Geschäftsstelle

 

Urteil

Irn Namen des Volkes!

In dem Rechtsstreit

Thomas F....., Inhaber der Firma Maler F......., J........straße 12, 29386 Hankensbüttel,

Kläger

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte S......, Z........., M...., S..... und B...,
R...straße 7 - 9, 29525 Uelzen, Geschäftszeichen: b/01/843-1 1

gegen

Firma Köhn GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Horst Köhn, Oldenstädter Straße 1 1, 29525 Uelzen,

Beklagte

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Ralf Möbius, Wolfenbütteler Straße 1 A 30519 Hannover,

wegen Schadensersatz aus Computerprogrammierung

 

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 27.05.2003 durch den Richter am Landgericht Hogrefe als Einzelrichter
für R e c h t erkannt:

 

Die Klage wird abgewiesen

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Bis 7.000,- €

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Ersatz des Schadens aus dem Versagen der Sicherung eines von der Beklagten installierten Computersystems.

Der Kläger ist Maler- und Lackierermeister und betreibt ein Malergeschäft. Für die Buchhaltung ist seine Frau, die Zeugin F.......-F....., zuständig. Hinsichtlich des computermäßig geführten Buchhaltungsprogramms bestand ein Pflegevertrag mit der Beklagten. Diese spielte in unregelmäßigen Abständen neue Programmversionen (Updates) auf den Rechner des Klägers auf. Als Anfang des Jahres 2000 ein weiteres Software-Programm für die Bearbeitung von Rechnungen und Angeboten hinzukam, waren die Kapazitäten des vorhandenen Rechners ausgereizt. Die Beklagte schlug dem Kläger aus diesem Grund vor, einen weiteren Rechner zu installieren, was auch geschah. Dieser Rechner wurde mit dem alten vernetzt.

Auftragsgemäß baute sodann ein Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge Oßmann, den der Sicherung dienenden Streamer aus dem alten Gerät in das neue. Wie inzwischen unstreitig ist, wurde die Einstellung so vorgenommen, dass täglich um 19.00 Uhr abends die Speicherung, die jeweils mehrere Stunden benötigte, zu laufen begann. Damit sollten die Daten auf beiden Rechnern gesichert werden. Sei Einrichtung der neuen Anlage wurde vom Zeugen Oßmann der Zeugin F.......-F..... die Einleitung eines manuell gestarteten Sicherungslaufs vorgeführt. Ein vollständiger Sicherungslauf wurde nicht durchgeführt.

Im Februar 2001 kam es bei dem Kläger zu einem Datenverlust. Auf dem älteren Rechner gespeicherte Daten der Finanzbuchhaltung wurden von der Zeugin F.......-F..... beim "Aufräumen" der Festplatte unbeabsichtigt gelöscht. Bei dem Versuch, die Daten von dem Sicherungssystem abzurufen, stellte sich heraus, dass dort lediglich die Daten von dem neuen, nicht aber die auf dem alten Rechner bearbeiteten Daten gesichert worden waren. Dies beruhte auf einer - jedenfalls zu diesem Zeitpunkt - falschen Einstellung ("Haken nicht gesetzt") der Sicherungsprogrammierung. Da die Sicherung über Kassetten erfolgte, die jeweils bei dem neuesten Sicherungslauf mit dem aktuellen Datenbestand überschrieben wurden, lässt sich nicht mehr feststellen, ab wann die Sicherung der Daten des alten Rechners unterblieb (ob also die Einstellung der Sicherung von Anfang an falsch war oder erst später verändert wurde)

Aufgrund einer von einem anderen Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen Jürgensen, bei anderer Gelegenheit zwischendurch durchgeführten Datensicherung auf der Festplatte konnten die Daten bis zum Stand 26.6.2000 rekonstruiert werden. Die fehlenden Daten mussten nachgebucht werden. Bei der Buchführung war auch die Zeugin Meyer stundenweise im Betrieb des Klägers tätig. Mit der Klage verlangt der Kläger Ersatz für den Aufwand bei der Wiederholung der verloren gegangenen Buchungen und zusätzlicher Korrespondenz mit Lieferanten, vom Finanzamt erhobener Verspätungszuschläge und von Mahngebühren aus Lieferantenrechnungen.

Der Kläger behauptet, die Sicherungseinstellung sei von Anfang an fehlerhaft gewesen. Bei der Einrichtung der Sicherung durch den Mitarbeiter der Beklagten sei keine - über die Vorführung der manuellen Einleitung eines Sicherungslaufs hinausgehende - Funktionsüberprüfung und keine Einweisung der Mitarbeiter des Klägers erfolgt. Der Mitarbeiter der Beklagten Herr Jörgensen habe bei telefonischer Mitteilung des Datenverlustes spontan geäußert, dass er nicht glaube, dass seinerzeit das System so konfiguriert wurde, dass die sich auf dem alten Rechner befindenden Daten mit gesichert wurden; bei der Kontrolle vor Ort habe er dann geäußert: "Hier haben wir wohl vergessen einen Haken zu setzen." Herr Becker von der Beklagten habe angekündigt, den Schaden gegenüber der eigenen Haftpflichtversicherung geltend machen zu wollen. Die Mitarbeiterinnen des Klägers hätten keinerlei Änderungen an der Sicherungseinstellung vorgenommen.

Im Ergebnis habe der Betrieb des Klägers sämtliche Buchhaltungsdaten der Monate Juni 2000 bis Februar 2001 verloren. Selbst die bis 26.6.2000 rekonstruierten Daten seien teilweise fehlerhaft geworden. Die Zeugin F.......-F..... habe die Nachbuchungen allein vorgenommen und habe hierdurch entsprechenden Mehraufwand gehabt (S. 6 der Klageschrift). Aufgrund dieser Doppelbelastung seien Verzögerungen in den Umsatzsteuer- und Lohnanmeldungen eingetreten, die Ursache der - als solcher unstreitigen - vom Finanzamt erhobenen Mahngebühren gewesen seien (S. 7, 8 der Klageschrift). Gleiches gelte für Mahngebühren aus Lieferantenrechnungen (S. 8, 9 der Klageschrift). Zusätzlicher Arbeitsaufwand sei auch für Anschreiben an Lieferanten zur Erreichung von Zahlungsaufschüben entstanden (S. 9 der Klageschrift).

Der Kläger beantragt

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.956,72 E nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Einrichtung der Sicherung sei durch den Zeugen Oßmann erfolgt. Die Mitarbeiter des Klägers seien auch in die Handhabung eingewiesen und ihnen sei die Log-Datei, anhand der die Sicherung zu überprüfen war, vorgeführt worden. Die zum Vorfallszeitpunkt falsche Sicherungseinstellung müsse später - durch die Mitarbeiterinnen des Klägers, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, selbst oder durch sonstige Störungen - eingetreten sein. Sie tritt den vom Kläger geltend gemachten Kosten im einzelnen entgegen. Für die Aufarbeitung sei eine Hilfskraft eingesetzt worden, so dass für den Mehraufwand ein geringerer Betrag angemessen sei. Die angefallenen Versäumnis- und Verspätungszuschläge beruhten wohl auf mangelhafter Organisation im Betrieb des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der (ehemaligen) Mitarbeiter des Klägers und der Beklagten als Zeugen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Terminsprotokoll vorn 27.5.03 (Bi. 93 ff GA) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die tatsächlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus positiver Vertragsverletzung (vgl. BGHZ 133, S. 155 ff, 160: weiterer Mangelfolgeschaden) stehen nicht fest. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die Sicherungsroutine von der Beklagten falsch installiert war. Eine Beweislastumkehr insoweit findet nicht statt, da das vom Zeugen Oßmann vorgenommene "Test-Backup" eine ausreichende Überprüfung der Einrichtung der Sicherungsroutine darstellt. Im einzelnen:

Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung setzt voraus, dass die Beklagte ihre Vertragspflichten - hier: zur ordnungsgemäßen Einrichtung der Sicherungsroutine - verletzt hat. Die Beweislast dafür liegt grundsätzlich beim Anspruchsteller, hier also dem Kläger. Das gilt auch, soweit ein Unterlassen (z.B. gebotener Aufklärung, Überprüfung etc.) in Frage steht. Insoweit greifen ggfs. Darlegungs- und Beweiserleichterungen (Palandt-Heinrichs, 62. Auflage, § 280 Rz. 34 ff).

Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die Einstellung der Sicherungsroutine von Anfang an fehlerhaft war. Vielmehr lässt sich dies nicht mehr feststellen. Es ist unstreitig technisch ohne weiteres möglich, dass die entscheidende fehlerhafte Einstellung erst später durch eine Person, die Zugang zu dem Rechner hatte, vorgenommen wurde. Soweit die Zeuginnen F.......-F..... und Meyer ausgesagt haben, dass sie keinen Zugriff auf die Programmierung genommen haben, so stehen dem die Aussagen der Zeugen Oßmann und Glinke entgegen, aus denen sich ergibt, dass die Sicherung ordnungsgemäß eingerichtet war. Wenn letzteres der Fall war, dann muss es später zu einer Änderung gekommen sein. Das Gericht vermag nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die Aussagen der erstgenannten beiden Zeuginnen insoweit sicher richtig und damit die Aussagen der beiden anderen Zeugen falsch sind. Bei keiner der Zeuginnen bzw. keinem der Zeugen haben sich konkrete Anhaltspunkte zu Zweifeln an der Richtigkeit ihrer Aussagen ergeben. Auch in der Glaubwürdigkeit als solcher, also insbesondere der Nähe zu den Parteien und einem eventuellen eigenen Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, lassen sich keine gravierenden Unterschiede oder gar ein Überwiegen der Glaubwürdigkeit der vom Kläger aufgebotenen Zeuginnen feststellen; immerhin ist zu bedenken, dass die Zeugin F.......-F..... als die für den Kläger wichtigste Zeugin als seine Ehefrau, wirtschaftlich mit an der Führung des Betriebs Beteiligte und für eine eventuelle spätere Änderung der Sicherungseinstellung in Betracht Kommende (immerhin hat sie den Datenverlust selbst durch ein offensichtlich recht sorgloses "Aufräumen" verursacht) ein erhebliches, über das der anderen Zeugen deutlich hinausgehende Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits hat

Es findet auch nicht nach den in BGHZ 133, S. 155 ff genannten Grundsätzen eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers statt. Voraussetzung dafür wäre nach den Ausführungen in der genannten Entscheidung, dass eine gebotene, angemessene Überprüfung der Einrichtung der Sicherungsroutine unterlassen wurde. Die Voraussetzung für das Eingreifen dieser Beweislastumkehr, also das Unterlassen der Überprüfung, liegt danach wiederum beim Anspruchsteller; erst wenn das Unterlassen der Überprüfung feststeht, kehrt sich für die Ursache des Datenverlustes die Beweislast um.

Der von der Beklagten benannte Zeuge Oßmann hat im einzelnen geschildert, wie er im Rahmen eines sog. "Test-Backups" die Überprüfung vorgenommen hat. Soweit dies von der Beklagten schriftsätzlich nicht so detailliert vorgetragen war, ist von einem konkludenten Sich-zu-eigen-machen dieser Aussage auszugehen, weil der bereits erfolgte Vortrag zu Überprüfung der Einrichtung der Sicherungsroutine dadurch bestätigt und vertieft wird und die Beklagte den Zeugen auch genau dazu benannt hatte. Aus den bereits genannten Erwägungen könnte dieser vom Zeugen geschilderte Sachverhalt jedenfalls durch die Aussagen der Zeuginnen F.......-F..... und Meyer nicht als widerlegt angesehen werden. Tatsächlich dürfte insoweit sogar inhaltlich keine große Abweichung zwischen den Aussagen bestehen, denn auch die Zeugin F.......-F..... hat die Durchführung eines Test-Backups bestätigt (S. 1 1 des Protokolls), wobei allerdings nicht ganz klar ist, ob das Test-Backup mit der Vorführung der manuellen Einleitung eines Sicherungslaufs identisch ist und ggfs. welches von beidem die Zeugin meinte. Das Gericht ist letztlich zu diesem Punkt sogar davon überzeugt, dass das Test-Backup, so wie vom Zeugen Oßmann geschildert und zumindest vom Zeugen Glinke glaubhaft bestätigt, wirklich durchgeführt wurde.

Das vom Zeugen Oßmann geschilderte Test-Backup genügt auch den Anforderungen, die der BGH in der zitierten Entscheidung an die notwendige Überprüfung der Sicherungsroutine stellt. Danach ist "von den technisch möglichen und wirtschaftlich zumutbaren Kontrollen diejenige vorzunehmen, die ein Fachmann auf dem Gebiet des lmplementierens von Programmen auf einer EDV-Anlage angewendet hätte, um aufgrund der Überprüfung annehmen zu können, dass das der Datensicherung dienende Programm übertragen und die Sicherungsroutine auf der EDV-Anlage lauffähig ist". Wie sich daraus ergibt, ist es keinesfalls in jedem Fall nötig, die gesamte Sicherung einmal probehalber vollständig durchlaufen zu lassen und anschließend zu überprüfen. Vielmehr reicht die Überprüfung der Übertragung des Datensicherungsprogramms und der Lauffähigkeit der Sicherungsroutine. Genau das hat der Zeuge Oßmann mit dem Test-Backup kontrolliert. Indem er einzelne Dateien von beiden Rechnern auswählte, konnte er sicher sein, dass das Sicherungsprogramm als solches funktionierte und auf beide Rechner Zugriff hatte. Allein der Umstand, dass es möglich gewesen wäre, auch noch die vollständige Sicherung - durch einen nochmaligen späteren Besuch oder telefonisch o.ä. - zu kontrollieren, ändert nichts daran, dass das vorgenommene Test-Backup nach den Maßstäben der genannten BGH-Entscheidung eine ausreichende Überprüfung war und somit jedenfalls eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers nicht eintritt.

Der Beklagten ist schließlich auch nicht vorzuwerfen, dass eine ordnungsgemäße Einweisung in die Kontrolle der Sicherung durch Aufrufen der Protokolldatei unterblieben wäre. Denn auch dies kann nicht festgestellt werden. Vielmehr haben die Zeugen Oßmann und Glinke ausdrücklich bestätigt, dass insbesondere diese Datei und das Aufrufen derselben vorgeführt wurde. Aus den genannten Erwägungen reicht die anderslautende Darstellung der Zeugin F.......-F..... nicht, um das Gegenteil als bewiesen anzusehen, wenn sich nicht sogar aus der Schilderung dieser Zeugin davon, dass ihr "Herr Oßmann bei seinem Test-Backup gezeigt hat, wie das mit den einzelnen Dateien jeweils mit der Rücksicherung geklappt hat" (S. 1 1 des Protokolls), ein gewisser Anklang an die Vorführung der Protokolldatei ergibt. In der Sache wäre es durchaus möglich, dass der Zeugin die Datei vorgeführt wurde, sie dies aber - vielleicht auch deshalb, weil sie an diesem Tag von anderen Dingen abgelenkt war (vgl. Aussage Zeuge Glinke S. 13 des Protokolls: "Ich habe Frau F.......-F..... aus der Küche geholt, wo sie gerade mit ihren Kindern war.") - nicht vollständig aufgenommen oder später wieder vergessen hat.

Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 709 ZPO

 

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