Landgericht Düsseldorf, markenrechtlicher Freigabeanspruch gegenüber prioritätsälterer Internetdomain
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Aktenzeichen:    34 O 71/03
Verkündet am:
27.08.2003

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Landgericht Düsseldorf

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL



Tenor:


1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Domain "....de" hat.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber keinen Anspruch auf Übertragung der Domain ".....de" hat.


3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.


4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, wobei die Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Sparkasse oder Bank erbracht werden kann.



Tatbestand:


Der Kläger ließ am 19.08.1996 bei der für die Vergabe von .de-Domains zuständigen DENIC eG für sich die mit seinem Familiennamen identische Domain ".....de" registrieren. Er nutzt sie seither für sich und seine Familie. Darüber hinaus hat er im Laufe der Zeit einige Links auf seiner entsprechenden Homepage aufgenommen.

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der K.... AG. Sie führte früher die Firmenbezeichnung "..... International GmbH", seit dem Jahre 2001 führt sie die Firmenbezeichnung "... ..... Vertriebs GmbH". Die Beklagte ist Hersteller von Bekleidungsstücken, und zwar insbesondere von Strumpfwaren aller Art. Sie ist Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Wortmarke "....", die Schutz genießt für Strumpfwaren, insbesondere Damenstrümpfe und Herrensocken, gewirkte und gestrickte Bekleidungsstücke; Damenwäsche. Außerdem ist sie Inhaberin einer weiteren deutschen Wortmarke ".....", die Schutz genießt für Kopfbedeckungen, insbesondere Mützen und weitere Bekleidungsstücke. Neben weiteren Wort-/Bildmarken ist sie schließlich auch Inhaberin der Gemeinschaftsmarke Nr. 34.... "....", die 1996 angemeldet und am 30.10.1998 eingetragen worden ist für die Waren "Bekleidungsstücke".

Die Muttergesellschaft der Beklagten, die K.... AG, hat bereits im Januar 1997 bei dem Kläger angefragt, ob gegen finanzielle Unterstützung eine Freigabe der Domain ".....de" des Klägers in Betracht käme, was der Kläger jedoch abgelehnt hat. Eine weitere Anfrage betreffend die Freigabe der Domain des Klägers ist an diesen seitens der Beklagten im Mai 2000 erfolgt. Auch zu diesem Zeitpunkt lehnte der Kläger eine entsprechende Freigabe ab. Zwei Jahre später meldete sich dann die Beklagte erneut mit Schreiben vom 23.07.2002 bei dem Kläger und forderte diesen wiederum zur Freigabe der Domain auf. In diesem Zusammenhang bezog sich die Beklagte auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Domain "....de" vom 22.11.2001 und erklärte dem Kläger gegenüber, nunmehr bessere Rechte an der Domain ".....de" zu besitzen. Die Beklagte forderte in diesem Zusammenhang den Kläger zur Unterlassung der Nutzung der Domain und zur Übertragung der Domain auf die Beklagte auf. Nach weiterer Korrespondenz der Parteien hat die Klägerin nunmehr die vorliegende negative Feststellungsklage gegen die Beklagte erhoben.

Die Klägerin ist der Ansicht, ein Anspruch der Beklagten auf Unterlassung der Nutzung der Domain "......de" durch die Klägerin sei nicht gegeben und die Beklagte habe gegen den Kläger auch keinen Anspruch auf Übertragung dieser Domain.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Domain ".....de" hat,

festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger gegenüber keinen Anspruch auf Übertragung der Domain ".....de" hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die negative Feststellungsklage des Klägers sei unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers stünden der Beklagten die mit deren Schreiben vom 23.07.2002 geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung der Domain ".....de" durch den Kläger sowie auf Übertragung der Domain zu. Der der Beklagten zustehende entsprechende Anspruch gegen den Kläger ergebe sich sowohl aus § 12 BGB als auch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 Markengesetz. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dessen Entscheidung "....de". Die Marke "...." der Beklagten genieße überragende Bekanntheit. In diesem Zusammenhang behauptet die Beklagte, dass die Bekanntheit dieser Marke bei einem Anteil zwischen 53 und 71 % der deutschen Bevölkerung liege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:


Die negative Feststellungsklage des Klägers ist zulässig und begründet.

Gegen die Zulässigkeit der negativen Feststellungsklage des Klägers gegen die Beklagten ergeben sich keine Bedenken, insbesondere ist das besondere Feststellungsinteresse des Klägers für seine negative Feststellungsklage gegeben, da der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. Dieses Feststellungsinteresse besteht, weil dem Recht bzw. der Rechtslage des Klägers an seiner Domain ".....de" eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte Rechte des Klägers an dieser Domain ernstlich bestreitet und sich eines besseren Rechts im Hinblick auf diese Domain berühmt, wie sich insbesondere aus dem Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 23.07.2002 ergibt.

Die Klage des Klägers ist aber auch in vollem Umfang begründet. Es ist nämlich festzustellen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Domain ".....de" hat und dass die Beklagte dem Kläger gegenüber darüber hinaus auch keinen Anspruch auf Übertragung dieser Domain hat. Entsprechende Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger sind nämlich weder nach § 12 BGB aus Namensrecht noch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 Markengesetz gegeben. Vielmehr hat der Kläger seinerseits die besseren Rechte an der zu seinen Gunsten registrierten streitgegenständlichen Domain.

Insoweit ist zunächst einmal davon auszugehen, dass der Kläger ein legitimes eigenes Interesse an der Registrierung und Nutzung der Internet-Domain "......de" hat. Er besitzt Namensrechte gemäß § 12 BGB an seinem mit der Domain identischen Namen ".....". Dementsprechend ist er gegenüber der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Priorität unter Gleichnamigen berechtigt, die streitgegenständliche Domain zu halten und zu nutzen. Es ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, dass es niemanden verwehrt werden kann, sich in redlicher Weise im Privatleben und im Geschäftsleben unter seinem bürgerlichen Namen zu betätigen. Zunächst einmal ist von diesen Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigkeit vorliegend auszugehen, zumal hier keine Anhaltspunkte ersichtlich oder von der Beklagten vorgetragen worden sind, die eine wettbewerbswidrige bzw. unredliche Nutzung des Familiennamens des Klägers im Hinblick auf seine streitgegenständliche Domain "......de" ergeben könnten.

Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "....de" (BGH WRP 2002, 694 ff) die Ansicht vertreten hat, dass das grundsätzliche Gerechtigkeitsprinzip der Priorität bei Gleichnamigen eine Ausnahme erfahren könnte, wenn einer der beiden Namensträger eine überragende Bekanntheit genießt, der Verkehr den Internet-Auftritt dieser überragend bekannten Namensträger unter dem Namen erwartet und bei dem Dritten kein besonderes Interesse an der Internet-Adresse besteht, so begegnet diese Rechtsprechung nach Auffassung des Gerichts Bedenken. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da vorliegend auch unter Zugrundelegung der Grundsätze der vorgenannten BGH-Rechtsprechung das Gerechtig-keitsprinzip der Priorität, welches für die besseren Rechte des Klägers spricht, hier nicht durchbrochen wird.

Zunächst einmal hat die Beklagte nicht hinreichend dargetan, dass die Marke "....." von überragender Bekanntheit ist. So hat die Beklagte insbe-sondere nicht dargelegt, welchen Bekanntheitsgrad ihre Marke "...." in der Gesamtbevölkerung erreicht und dass dieser sowohl quantitativ als auch qualitativ einen überragenden Wert aufweisen würde. Dies gilt um so mehr, als nach den von ihr selbst vorgelegten Ergebnissen einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage aus dem Jahre 2001 der Bestandteil "K..." ihrer Firmenbezeichnung einen deutlich höheren Bekanntheitsgrad aufweist als ihre Marke "...." und nach diesen Unterlagen ohnehin nur die Ergebnisse einer Befragung von Frauen im Alter ab 16 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland erfasst worden sind.

Angesichts der vorstehenden Umstände ist auch in keiner Weise ersichtlich oder seitens der Beklagten hinreichend dargetan, dass der allgemeine Internetverkehr die Marke des Beklagten als Namensträgerin mit überragender Bekanntheit unter der streitgegenständlichen Domain erwartet.

Insbesondere fehlt es aber an dem dritten, nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geforderten Kriterium für eine Durchbrechung des Gerechtigkeitsprinzips der Priorität zugunsten der Beklagten. Dies würde nämlich voraussetzen, dass bei dem Dritten - hier also dem Kläger - kein besonderes Interesse an der streitgegenständlichen Internetadresse bestehen würde. Diese Voraussetzung ist aber in keiner Weise ersichtlich oder gar von der Beklagten dargetan. Vielmehr zeigt die Tatsache, dass der Kläger diese Internet-Domain bereits seit rund acht Jahren für sich nutzt und in der Vergangenheit stets Angebote - auch finanzieller Art - zum Verkauf der Internet-Domain abgelehnt hat, dass er an der Registrierung und Nutzung dieser Internet-Domain ein erhebliches Interesse hat und dass er daran im Laufe der Jahre einen durchaus schutzwürdigen Besitzstand begründet hat.

Schließlich ist noch festzustellen, dass selbst bei einer anderen Beurteilung der Rechtslage, die zu etwaigen Ansprüchen der Beklagten gegen den Kläger grundsätzlich führen würde, eine Verwirkung im Sinne des § 242 BGB eingetreten ist. Der Kläger hat nämlich im Laufe der rund acht Jahre der Nutzung der Domain seit deren Registrierung einen schutzwürdigen Besitzstand an dieser Domain erworben. Nachdem die Beklagte bereits seit Jahren Kenntnis davon hatte, dass der Kläger Inhaber dieser Domain war und selbst bereits in der Vergangenheit mehrfach, erstmals durch die Muttergesellschaft der Beklagten bereits im Januar 1997, mit dem Kläger versucht hat, zu einer Einigung über die Übertragung der Domain auf die Beklagte zu gelangen, andererseits aber in dem gesamten Zeitraum nie klageweise versucht hat, ihre Rechte dem Kläger gegenüber geltend zu machen, konnte der Kläger nun darauf vertrauen, eine gesicherte und bestandskräftige Rechtsposition an seiner streitgegenständlichen Domain zu haben, so dass eine weitere Geltendmachung der Beklagten an Rechten an dieser Domain nunmehr gegen § 242 - Treu und Glauben - verstößt.

Nach den vorstehenden Ausführungen ergibt sich dementsprechend auch, dass die Beklagte auch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 Markengesetz keine besseren Rechte im Hinblick auf die streitgegenständliche Domain des Klägers haben kann.

Nach alledem ist die negative Feststellungsklage des Klägers zulässig und begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 709 ZPO.

Streitwert: 21.000,00 EUR.