Thema: Rechtsberatung am Telefon, telefonische Rechtsberatung

Leitsatz: Die telefonische Rechtsberatung �ber eine Hotline bietet keine Gew�hr daf�r, dass die einem Rechtsanwalt obliegenden Pflichten der BRAGO und der BRAO eingehalten werden k�nnen. Wegen der Verg�tung gem. � 3 BRAGO, der Vermeidung von Interessenkollisionen gem. � 43 a Abs. 4 BRAO und der Gefahr des Empfangs von Leistungen ohne Rechtsgrund bestehen erhebliche Bedenken.

ANWALTSGERICHTSHOF NORDRHEIN-WESTFALEN

BESCHLUSS


Aktenzeichen: 1 ZU 49/98 (AGH Hamm)
Entscheidung vom 15. Januar 1999

Sachverhalt

Der Antragsteller beabsichtigt, eine entgeltliche Telefonberatung unter einer 0190er Nummer (im folgenden: Hotline) durchzuf�hren. Zur Zeit ist dabei von einem Beratungspreis von 3,63 DM pro Minute (= 3,13 DM ohne MwSt) auszugehen. Mit Bescheid vom 3.9.1998 hat der Antragsgegner dem Antragsteller den Betrieb der geplanten rechtlichen Beratung per Hotline untersagt und dabei insbesondere ausgef�hrt, es bestehe die Gefahr einer �berschreitung der in der BRAGO festgelegten S�tze. Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid fristgerecht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Aus den Gr�nden

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat ist mit dem Antragsgegner der Ansicht, dass die von dem Antragsteller angestrebte fernm�ndliche Rechtsberatung �ber eine Hotline in mehrfacher Hinsicht keine Gew�hr daf�r bietet, dass die einem Rechtsanwalt obliegenden Pflichten eingehalten werden k�nnen.

1. Berechnung der Verg�tung: Die f�r die Telefonberatung von dem Antragsteller geplante Abrechnungsweise ist nicht mit den Vorgaben des � 3 BRAGO in Einklang zu bringen. Es soll eine vom Streitwert unabh�ngige Abrechnung lediglich nach der Gespr�chsdauer zu einem festen Minutenpreis erfolgen. Diese Geb�hrenerhebung f�hrt zwangsl�ufig zu Verst��en gegen � 3 Abs. 1 und Abs. 5 BRAGO. Bei einem Streitwert von bis zu 600,- DM - F�lle dieser Gr��enordnung d�rften den wesentlichen Teil der Mandate ausmachen (vgl. auch den Bericht der FAZ v. 22.12.1998) - und bei einer in der Sache und rechtlich nicht komplizierten Fragestellung d�rfte gem. � 20 Abs. 1 BRAGO in vielen F�llen lediglich eine 5/10-Geb�hr angemessen sein. Danach k�nnte ein Anwalt nach der Geb�hrenordnung einschlie�lich MwSt 29,- DM in Rechnung stellen. Bei einem Minutenpreis von 3,63 DM w�re dieser Wert bereits nach knapp acht Minuten erreicht. Oftmals wird aber schon allein die Sachverhaltskl�rung gerade bei weniger gewandten Mandanten unter Ber�cksichtigung der notwendigen Nachfragen schon mehr als diesen Zeitraum in Anspruch nehmen, so dass ein Benutzer der Hotline mehr zahlen muss als bei einer pers�nlichen Beratung im Anwaltsb�ro oder einer fernm�ndlichen Beratung �ber die �bliche Telefonnummer. Eine Erhebung von Geb�hren, die die gesetzlichen Vorgaben �bersteigen, ist zwar nach � 3 Abs. 1 BRAGO m�glich. Dies setzt aber eine schriftliche Vereinbarung voraus, die bei einer Beratung �ber eine Hotline nicht gegeben ist. Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, es liege eine freiwillige und ohne Vorbehalt geleistete Zahlung der h�heren Geb�hren vor. �Freiwilligkeit� i.S.v. Abs. 1 Satz 2 BRAGO setzt voraus, dass der Auftraggeber wei�, dass er mehr als die gesetzlichen Geb�hren zu zahlen hat. Der Auftraggeber geht aber bei einer Telefonberatung �bereine Hotline gerade von einem f�r ihn besonders preiswerten Weg der Einholung einer Rechtsauskunft aus. Es spricht alles daf�r, dass er ansonsten im Regelfall von einer Beratung auf diesem Weg absehen w�rde. Auch eine zugunsten des Antragsteller unterstellte Belehrung �ber eine m�gliche �berschreitung der gesetzlichen Geb�hren im Verlauf des Gespr�chs vermag das Problem nicht zu l�sen. Dem Anrufer werden n�mlich auch nach einer Entscheidung, die Beratung dann nicht in Anspruch zu nehmen, die bis dahin angefallenen Geb�hren in Rechnung gestellt werden (i.E. ebenso OLG Frankfurt AnwBl. 1998, 661; a.A. LG Berlin, U. v. 18.8.1998 -16 0 121/98, MMR 1999, 47f.).

Es besteht weiterhin auch die konkrete Gefahr von Verst��en gegen � 3 Abs. 5 BRAGO. Zwar kann eine niedrigere als die gesetzliche Verg�tung vereinbart werden. Eine Geb�hrenvereinbarung nach � 3 Abs. 5 BRAGO muss aber stets in einem angemessenen �Verh�ltnis� zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts stehen. Wie die von vornherein feststehende Minutenabrechnung diesen Anforderungen des Gesetzes gerecht werden k�nnte, vermag der Senat nicht zu sehen.

2. Interessenkollisionen: Die Beratung �ber eine Hotline bringt weiter die gegen�ber einer �normalen� Beratung - sei es in der Kanzlei oder �ber die �bliche Telefonnummer - in einem nicht zu vertretenden Umfang gesteigerte Gefahr von Verst��en gegen � 43a Abs. 4 BRAO (Interessenkollisionen) mit sich. Der Senat sieht bei der Abwicklung von Mandaten �ber eine Hotline im Minutentakt keine hinreichend gesicherten M�glichkeiten, Interessenkollisionen zu vermeiden. Es wird sich - nur dann rechnet sich die Einrichtung einer Hotline - regelm��ig um ein Massengesch�ft handeln, bei dem gar nicht zuverl�ssig nachgehalten werden kann, wer und wor�ber jemand beraten worden ist. Es wird daher zwangsl�ufig zu der Wahrnehmung widerstreitender Interessen kommen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn mehrere Anw�lte eines B�ros gleichzeitig t�tig sind. Der Senat ist daher mit dem Antragsgegner der Auffassung, dass die Aufrechterhaltung des Vertrauens in eine funktionsf�hige Rechtspflege es gebietet, einem solchen Gefahrenpotential entgegenzuwirken.

3. Entgelt ohne Leistung: Die Inanspruchnahme einer Hotline kann dar�ber hinaus zur Folge haben, dass der Anrufer zahlt, obwohl der Anwalt keinen Verg�tungsanspruch erworben hat. Dies gilt zum einen f�r den Fall einer bei dem zu erwartenden Massengesch�ft allerdings eher zuf�llig festgestellten Interessenkollision. Die bis zu der Gespr�chsbeendigung angefallenen Geb�hren werden dem Anrufer von dem Telefonbetreiber in Rechnung gestellt. Gleiches gilt f�r den Fall, dass der Anwalt z.B. aufgrund einer Anfrage aus einem Spezialgebiet feststellen muss, dass er zu einer Beratung gar nicht in der Lage ist. Es wird dann abgerechnet, obwohl kein wirksamer Beratungsauftrag vorliegt und ohne dass eine Beratungsleistung erbracht worden ist. Dass der Anrufer in diesen F�llen einen Erstattungsanspruch - in welcher H�he? - haben kann, �ndert nichts daran, dass eine Geb�hrenerhebung ohne eine Auftragserteilung einen Pflichtenversto� darstellt, der nicht hingenommen werden kann.