Bundesverfassungsgericht 1 BvR 507/01, Beschluss Persönlichkeitsrecht Fotos Foto Haus Häuser
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Aktenzeichen: 1 BvR 507/01
Beschluss v. 02.05.2006
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde

[...]

gegen

a) das Urteil des Kammergerichts vom 9. Februar 2001 - 9 U 5218/00 -,
b) das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. April 2000 - 27 O 29/00 -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 2. Mai 2006 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Das Verfahren betrifft Fragen des Persönlichkeitsschutzes bei der Verbreitung von Sachabbildungen.

I.

Der Beschwerdeführer betreibt eine Presseagentur. Er verfolgt die Geschäftsidee, mittels eines Hubschraubers Luftbilder von auf Mallorca belegenen Wohnhäusern prominenter Personen zu fertigen und diese sodann Presseunternehmen zusammen mit Angaben zur Identität der Betroffenen und zur Lage der Anwesen zur Verfügung zu stellen.

Unter Verwendung solcher Luftbilder erschien in einer Fernsehzeitschrift ein Bericht, der über die Kläger des Ausgangsverfahrens sowie weitere Prominente in der Weise berichtete, dass Luftbilder ihrer Anwesen unter Nennung der Namen abgebildet wurden; auch wurde der Anfahrtsweg beschrieben. Die Leser wurden aufgefordert, von der ihnen eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, Prominente an deren Wohnsitz aufzusuchen.

1. Die Kläger, eine Film- und Fernsehproduzentin sowie ihr als Regisseur tätiger Ehemann, nahmen den Beschwerdeführer auf Unterlassung einer Verbreitung von Luftbildern ihres Anwesens unter Beifügung ihres Namens sowie darauf in Anspruch, eine Verbreitung von Angaben zur Lage ihres Anwesens zu unterlassen.

Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung des Beschwerdeführers blieb beim Kammergericht ohne Erfolg. Dieses verwies zur Begründung auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie der einer früheren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in einer anderen Sache ergangenen eigenen Entscheidung (KG, ZUM 2001, S. 236). Aus der in Bezug genommenen angegriffenen Entscheidung des Landgerichts sowie der früheren Entscheidung des Kammergerichts ergeben sich folgende Gründe für die Stattgabe:

Der Betroffene müsse die Verbreitung von Luftbildern des privaten Wohnumfelds ungeachtet seiner Prominenz nicht hinnehmen. Durch die Veröffentlichung werde in die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre eingegriffen. Der geschützte häusliche Bereich umfasse alle Grundstücksteile, die den räumlich-gegenständlichen Lebensmittelpunkt einer Person insgesamt ausmachten, sofern und soweit diese Bereiche üblicherweise oder durch bauliche oder landschaftliche Gegebenheiten von der Einsichtnahme durch Dritte ausgeschlossen seien. Allerdings stehe die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts nicht absolut fest, sondern müsse grundsätzlich erst anhand des zu beurteilenden Einzelfalls durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite bestimmt werden. Vorliegend ergebe die Abwägung mit dem Recht des Beschwerdeführers auf freie Berichterstattung (Art. 5 Abs. 1 GG) den Vorrang des Schutzes der Privatsphäre.

Das Recht auf Achtung der Privatsphäre beziehe sich nicht lediglich auf Abbildungen von Personen, sondern auch auf Abbildungen des räumlich-gegenständlichen Bereichs dieser Sphäre. Auch Prominente hätten das Recht, diesen Teil ihrer Privatsphäre den Blicken der Öffentlichkeit zu entziehen. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass dieser Bereich geeignet sei, die Persönlichkeit seiner Bewohner widerzuspiegeln, zum anderen aber auch daraus, dass Informationen über den räumlich-gegenständlichen Lebensbereich einer Person ein nicht zu verkennendes Gefahrenpotential in sich bürgen, dem sich der Betroffene ohne seinen Willen nicht aussetzen lassen müsse. Luftbildaufnahmen würden Einblicke gewähren, die meist ohne weiteres von öffentlichem Land aus nicht zu gewinnen seien. Die Schutzbedürftigkeit der Betroffenen entfalle vorliegend nicht deshalb, weil sie selbst den betroffenen Bereich ihrer Privatsphäre zuvor schon der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätten. Dafür gäbe es keine Anhaltspunkte. Bei der Abwägung dürfe im Übrigen berücksichtigt werden, dass die Veröffentlichung der Luftbildaufnahmen ungeachtet des Interesses eines breiten Publikums an solchen Bildern nicht eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betreffe; vielmehr würden lediglich private Angelegenheiten zur Befriedigung von Neugier ausgebreitet. Ein die Öffentlichkeit wesentlich interessierendes Sachthema werde nicht behandelt, wenn nur die Möglichkeit aufgezeigt werde, private Anwesen Prominenter persönlich aufzusuchen und so Einblick in ihre Privatsphäre zu gewinnen.

Auch die Verbreitung der Wegbeschreibung sei zu untersagen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleiste, selbst darüber entscheiden zu können, ob und innerhalb welcher Grenzen persönliche Daten an die Öffentlichkeit gebracht werden. Es komme nicht darauf an, ob die Betroffenen als relative oder absolute Personen der Zeitgeschichte anzusehen seien. Selbst eine absolute Person der Zeitgeschichte brauche nicht zu dulden, dass ihre Wohnanschrift in Massenmedien zu dem Zweck veröffentlicht werde, unerbetene Besuche durch Leser zu ermöglichen.

2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit. Die Veröffentlichung von Abbildungen des Erscheinungsbilds privater Anwesen sei nicht geeignet, die Privatsphäre der jeweiligen Bewohner zu beeinträchtigen. Jedenfalls hätten die Gerichte bei der Abwägung das Gewicht der Belange der Unterhaltungspresse verkannt. Das erhebliche Publikumsinteresse an einer Berichterstattung über die privaten Wohnverhältnisse prominenter Personen dürfe nicht als bloße Neugier abqualifiziert werden. Vorliegend habe es sich bei den Klägern um absolute Personen der Zeitgeschichte gehandelt, die eine Berichterstattung über ihr Privatleben grundsätzlich hinzunehmen hätten. Die Untersagung einer Veröffentlichung von Angaben zur Anschrift der Betroffenen laufe auf eine mit Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG unvereinbare Zensur der Presse hinaus, da solche Angaben unschwer aus den auf Mallorca frei zugänglichen Verzeichnissen zu ermitteln seien. Im Übrigen sei es mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar, den Beschwerdeführer für die Veröffentlichung dieser Angaben in Anspruch zu nehmen. Er habe sie dem Pressemitarbeiter nur für die Überprüfung der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse an den abgebildeten Grundstücken zur Verfügung gestellt und nicht mit einer Veröffentlichung der Angaben zur Lage des Anwesens rechnen müssen.

II.

Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Fragen der Reichweite des Persönlichkeitsschutzes und der Pressefreiheit sind hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 34, 269; 93, 266; 101, 361). Eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers ist nicht angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Sie hat keine Erfolgsaussichten.

1. a) Der Beschwerdeführer ist durch Verurteilung zur Unterlassung in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berührt. Auch die Tätigkeit einer Presseagentur fällt in den Schutzbereich der Pressefreiheit. Vom Schutz umfasst ist die Bereitstellung von Bildern zur Veröffentlichung in Medien anderer. Dass die Verbreitung der Bilder Unterhaltungszwecken dient, lässt sie nicht aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen (vgl. BVerfGE 97, 228 <257>; 101, 361 <389 f.>).

b) Die Pressefreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Sie findet ihre Schranke in dem in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zivilrechtliche Grundlage der Durchsetzung dieses Rechts sind § 823 Abs. 1 und § 1004 BGB. Die Gerichte haben im Zuge der Abwägung die Reichweite des Grundrechts der Pressefreiheit nicht verkannt und auch im Übrigen das gefundene Ergebnis in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise durch den gebotenen Schutz des Persönlichkeitsrechts begründet.

aa) Insbesondere ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, den Schutz des Persönlichkeitsrechts auf die Veröffentlichung von Abbildungen zu erstrecken, die Einblick in die räumliche Privatsphäre als einem von öffentlicher Kontrolle und Beobachtung freien Rückzugsbereich ermöglichen. Vorausgesetzt ist, dass der Betroffene nach den konkreten Gegebenheiten die begründete und für Dritte erkennbare Erwartung hegen darf, dass seine privaten Verhältnisse den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleiben und von ihr nicht zur Kenntnis genommen werden (vgl. BVerfGE 101, 361 <384>). Die Erwartung einer fehlenden Kenntnisnahme durch die Allgemeinheit liegt allerdings grundsätzlich fern, wenn ein privates Anwesen für jedermann von öffentlich zugänglichen Stellen aus einsehbar ist. Dementsprechend verneinen die Fachgerichte eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, sofern die Abbildung des Anwesens nur das wiedergibt, was auch für den vor Ort anwesenden Betrachter ohne weiteres zutage liegt (vgl. BGH, NJW 1989, S. 2251 <2253>; OLG Brandenburg, NJW 1999, S. 3339 <3340>; OLG Bremen, NJW 1987, S. 1420 <1421>; OLG Celle, MDR 1980, S. 311). So aber liegt es hier nicht. Die Kläger hatten den betroffenen Grundstücksbereich nach den Feststellungen des Landgerichts erkennbar dem Einblick von außen verschlossen halten wollen, die heimliche Erstellung der Luftbilder aber nicht verhindern können.

Ebenfalls ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts jedenfalls dann in der Verbreitung der Abbildungen gesehen haben, wenn zugleich - wie hier - die Identität der Bewohner offen gelegt und der Weg zu dem Anwesen beschrieben wird.

bb) Die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit begegnet keinen verfassungsrechtlichen Einwänden.

Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass die Annahme des Landgerichts unrichtig sei, bei den Klägern handele es sich nicht um Personen von herausragender Prominenz. Dementsprechend ist vorliegend eine weitere Prüfung nicht erfolgt, ob die Betroffenen als absolute oder relative Personen der Zeitgeschichte einzuordnen sind. Auf diese von den Fachgerichten üblicherweise herangezogenen, vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich nicht beanstandeten Rechtsfiguren kann eine Entscheidung nur gestützt werden, wenn zusätzlich eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten am Persönlichkeitsschutz im Zuge der konkreten Rechtsanwendung erfolgt (vgl. BVerfGE 101, 361 <392>). Eine solche Abwägung ist aber auch erforderlich, wenn die betroffene Person in keine der beiden Kategorien fällt. Die gebotene Abwägung haben die Gerichte vorliegend in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise vorgenommen.

Der Persönlichkeitsschutz hätte allerdings eventuell dann zurücktreten müssen, wenn der Betroffene seine Wohn- und Lebensverhältnisse durch eigene Veröffentlichungen einem breiten Publikum bekannt gemacht hätte (vgl. BGH, NJW 2004, S. 762 <764 f.>). Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen. Der Persönlichkeitsschutz entfällt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht deshalb, weil die Kläger von ihrem Anwesen aus auch ihrem Beruf nachgehen und den Wohnsitz gegenüber einem begrenzten Personenkreis bekannt gemacht haben. Dies kommt einer Offenbarung gegenüber der breiten Öffentlichkeit nicht gleich.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist es, dass die Gerichte im Zuge der Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht ein berechtigtes Veröffentlichungsinteresse verneint haben. Dabei durften sie berücksichtigen, dass durch die Veröffentlichung ungeachtet des Interesses eines breiten Publikums an solchen Bildern lediglich private Angelegenheiten ausgebreitet wurden, um die Neugier zu befriedigen (vgl. BVerfGE 101, 361 <391>).

Vorliegend bedarf keiner Entscheidung, ob das Veröffentlichungsinteresse überwiegen würde, wenn auf die Wegbeschreibung verzichtet worden wäre (bejahend BGH, NJW 2004, S. 762 ff. in einem Fall, in dem der Betroffene aber, anders als vorliegend, seine Wohnverhältnisse selbst durch eigene Veröffentlichungen einem breiten Publikum bekannt gemacht hatte). Dass die Kombination der Abbildung des Anwesens mit der Namensnennung und der Wegbeschreibung die Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung gegenüber einer bloßen Abbildung erhöht, ist nachvollziehbar. Die genaue Lokalisierung kann eine erhebliche Anlock- und Anreizwirkung für Neugierige mit der Folge der weiteren Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten bewirken.

Das Schutzbedürfnis entfällt nicht schon allein dadurch, dass die Adresse auch unter Rückgriff auf allgemein zugängliche Verzeichnisse und Register verschafft werden kann. Werden Angaben zur Anschrift gezielt in einem Massenmedium veröffentlicht, um die Leser zu einem Aufsuchen des privaten Lebensbereichs zu ermuntern, so werden die Informationen in einen neuen Kontext gesetzt, der Risiken weiterer Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts bewirken kann.

2. Unzutreffend ist die Annahme des Beschwerdeführers, das Verbot der Verbreitung komme einer Vorzensur gleich. Art. 5 GG, der das Zensurverbot aus Absatz 1 Satz 3 neben die Schrankenbestimmung des Absatzes 2 stellt, verdeutlicht schon durch dieses Nebeneinander, dass das Zensurverbot nicht betroffen ist, wenn zur Durchsetzung eines in einem allgemeinen Gesetz geschützten Rechtsguts die dort vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten genutzt werden. Eine auf die Unterlassung einer konkreten Persönlichkeitsverletzung zielende gerichtliche Entscheidung steht der behördlichen Vorprüfung oder Genehmigung des Inhalts einer Veröffentlichung nicht gleich (zum Zensurverbot vgl. BVerfGE 33, 52 <71 ff.>).

3. Schließlich ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte den Beschwerdeführer als "Störer" auch hinsichtlich der Veröffentlichung der Adresse und der Wegbeschreibung in Anspruch genommen haben. Die Bestimmung der Reichweite der Störerhaftung ist eine Frage des einfachen Rechts. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Gerichte bei ihrer Beantwortung verfassungsrechtliche Anforderungen missachtet oder gar das Willkürverbot verletzt haben. Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, einer Verurteilung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu entgehen. Das aber hat er abgelehnt.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften