Landgericht Hamburg Urteil Gegenschlag
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Aktenzeichen:     325 O 122/08
Verkündet am:
9. Dezember 2008

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Landgericht Hamburg

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Sache

[…]
Antragsstellerin
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt […]

gegen

[…]
Antragsgegner
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [...],


Tenor

I. Die einstweilige Verfügung vom 30. Juni 2008 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 6. Juni 2008 zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Antragstellerin bleibt nachgelassen, die Kostenvollstreckung des Antragsgegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, soweit nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand der einstweiligen Verfügung vom 30. Juni 2008.

Die Kammer hatte darin unter Androhung von Ordnungsmitteln dem Antragsgegner verboten,

unter Bezugnahme auf die Antragstellerin zu verbreiten,

1. „... Neue Rufmordkampagne der H.‐ H.‐Firma B. Verlag, Bund D.“

2. „... Jetzt ist auf der Homepage h. eine neue Aktion von Lügen, Verdrehungen, Herabsetzungen, Schmähungen und Unterstellungen angelaufen ‐ ...“

so wie geschehen auf der Internetseite „A..de“, Rubrik „Haus der Literatur“, Überschrift „Neue Rufmordkampagne der H.‐ H.‐Firma B.‐Verlag, Bund D..

Die Parteien befassen sich mit Literatur und betreiben dabei auch Internet-Seiten. Die Antragstellerin veröffentlicht die unter www. h..de erreichbaren Internet‐Seiten „Haus der Literatur – Das freie Portal für Autoren“, der Antragsgegner veröffentlicht unter www. A..de die Seiten „A.“.

Auf der Seite http://www. A..de/.phtml hat der Antragsgegner mit der Überschrift „Neue Rufmordkampagne der H.‐ H.‐Firma B.‐Verlag, Bund D.“ die streitgegenständliche Meldung veröffentlicht. In dieser Meldung heißt es unter anderem:

„Jetzt ist auf der Homepage h. eine neue Aktion von Lügen, Verdrehungen, Herabsetzungen, Schmähungen und Unterstellungen angelaufen“.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 19. Juni 2008 aufgefordert, die streitgegenständliche Meldung nicht weiter zu veröffentlichen und eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Dieser Aufforderung ist der Antragsgegner nicht gefolgt.

Auf Antrag der Antragstellerin vom 6. Juni 2008, dessen Begründung mit Schriftsatz vom 24. Juni 2008 (Bl. 22 d. A.) ergänzt worden ist, hat die Kammer mit Beschluss vom 30. Juni 2008 im Wege der einstweiligen Verfügung das oben wiedergegebene Verbot angeordnet.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Widerspruch erhoben.

Der Antragsgegner trägt vor, dass er im Hinblick auf die zahlreichen, gegen ihn gerichteten Äußerungen auf den Internet‐Seiten der Antragstellerin dazu berechtigt gewesen sei, von einer Rufmordkampagne und einer „Aktion von Lügen, Verdrehungen, Herabsetzungen, Schmähungen und Unterstellungen“ zu sprechen. Es handele sich um einen zulässigen Gegenschlag. Unter markanten Überschriften werde auf den Internet‐Seiten der Antragstellerin tendenziös und negativ über den Antragsgegner, seine Ehefrau und ihren Verlag geschrieben. Wegen der vom Antragsgegner vorgetragenen gegen ihn gerichteten Veröffentlichungen auf den Internet‐Seiten der Antragstellerin wird ergänzend auf den Schriftsatz vom 9. Oktober 2008

(Bl. 39 d. A.) Bezug genommen.

Der Antragsgegner beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragstellerin trägt vor,

der Antragsgegner stelle mit den streitgegenständlichen Äußerungen bewusst falsche Tatsachenbehauptungen auf und setze die die Antragstellerin herab und schmähe sie. Die streitgegenständliche Veröffentlichung sei Bestandteil einer Kampagne des Antragsgegners gegen die Antragstellerin. Der Antragsgegner gehe nicht auf die von ihm in Bezug genommenen Meldungen auf den Internet‐Seiten der Antragstellerin ein, um seine Äußerung zu untermauern, es handele sich um eine Rufmordkampagne. Soweit der Antragsgegner einen Link gesetzt habe, der mit „Machen Sie sich selbst ein Bild“ bezeichnet sei, verweise dieser lediglich auf eine Aufstellung von Überschriften von Meldungen auf den Internet-Seiten der Antragstellerin. Die jeweils dazugehörigen Texte seien damit nicht einsehbar.

Auf die weiteren Ausführungen der Antragstellerin hierzu in ihrem Schriftsatz vom 4. Dezember 2008 (Bl. 77 d. A.) wird, wie auch auf die Antragsschrift vom 6. Juni 2008 (Bl. 2 d. A.) und auf den Schriftsatz vom 24. Juni 2008 (Bl. 22 d. A.), ergänzend Bezug genommen.

Gründe

I.

Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben. Ein Verfügungsanspruch der Antragstellerin ist nicht gegeben.

Insbesondere ergibt sich der begehrte Unterlassungsanspruch auch nicht aus §§ 1004, 823 BGB. Die streitgegenständlichen Äußerungen des Antragsgegners verletzen die Rechte der Antragstellerin, insbesondere ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin ist durch die streitgegenständlichen Äußerungen nicht verletzt worden. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus § 823 Abs. 1 BGB mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ist durch Abwägung mit der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 und 2 GG zu bestimmen. Stellt sich dabei eine Äußerung als gerechtfertigt dar, liegt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vor.

So liegt es hier. Die streitgegenständlichen Äußerungen des Antragsgegners stellen sich als gerechtfertigter Gegenschlag dar. Eine auch überspitzte oder polemische Äußerung kann durch ein vorangegangenes Verhalten des mit dem Gegenschlag Angegriffenen gerechtfertigt sein. Wird jemand in einer auf die öffentliche Meinungsbildung beeinflussenden Weise angegriffen, dann hat dieser das Recht, den Angriff in einer Weise zu beantworten, die geeignet ist, eine dem Angriff gleichwertige Wirkung auf die Meinungsbildung zu entfalten, um den Angriff auszugleichen (vgl. etwa BVerfGE 12, 113 – „Schmid“). Dies schließt auch ein, den Gegenschlag in zugespitzter Form ausführen zu dürfen, wenn dies im Hinblick auf eine gleichwertige Wirkung auf die Meinungsbildung angemessen erscheint.

Ein solches rechtfertigendes Verhalten der Antragstellerin liegt in ihren zahlreichen, vom Antragsgegner in Bezug genommenen Veröffentlichungen auf ihren Internet‐Seiten über den Antragsgegner. Da die Antragstellerin den Antragsgegner durch immer wieder stattfindende Veröffentlichungen auf ihren Internet‐Seiten angegriffen hat, sind die streitgegenständlichen Äußerungen als Reaktion gerechtfertigt.

Der Antragsgegner hat glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin in polemischer Weise eine größere Zahl von Meldungen auf ihren Internet‐Seiten veröffentlicht hat, die den Antragsgegner, seine Ehefrau und seinen Verlag betreffen und dabei nicht bloß sachlich berichten. Im erheblichen Umfang veröffentlicht die Antragstellerin Meldungen, die dazu geeignet sind, den Antragsgegner herabzusetzen und in der öffentlichen Wahrnehmung schlecht dastehen zu lassen, ohne dass sich diese Folgen bereits aus sachlicher Berichterstattung ergeben. So wird auf einer Internet‐Seite der Antragstellerin bereits in der Kopfzeile der Antragsgegner als „Provokateur“ bezeichnet und sein Verlag als „umstritten“ dargestellt (vgl. Anlage Ag 5). Die Seite enthält weiter eine Reihe von Meldungen, die nach ihrer Kennzeichnung zwischen dem 14. Februar 2008 und dem 1. Juli 2008 veröffentlicht worden sind und den Antragsgegner betreffen. Die auf dieser Internet‐Seite der Antragstellerin veröffentlichten Meldungen ergeben sich im Einzelnen aus der Anlage Ag 5. In mehr als dreißig Meldungen während der Dauer von fünf Monaten nimmt die Antragstellerin immer wieder die Gelegenheit wahr, die vom Verlag des Antragsgegners herausgegebenen Ratgeber als nutzlos bzw. schädlich oder den Antragsgegner als in Verleumdungsprozesse verwickelt darzustellen.

Auch wird wiederholt davon berichtet, dass woanders ein Zusammenhang zwischen dem Antragsgegner und S. hergestellt worden sei (29. April, 10. Mai, 25. Juni oder auch 2. Mai), ohne dass etwas darüber berichtet wird, ob ein derartiger Zusammenhang bestehe oder woraus sich Anhaltspunkte dafür oder dagegen ergeben würden. Dies wird ausdrücklich offen gelassen („wie dem auch sei“, 29. April, „...sei dahingestellt“, 15. Mai). Die betreffenden Meldungen haben zum Gegenstand, das Geschäftsgebaren des Antragsgegners bzw. seines Verlags als „raffiniert“ und darauf gerichtet darzustellen, mit der Hilflosigkeit von Autoren Geld zu verdienen.

Die Antragstellerin hat auf ihren Internet‐Seiten eine eigene Seite den Meldungen über den Antragsgegner und seinen Verlag gewidmet. Die vom Antragsgegner glaubhaft gemachten mehr als dreißig ihn bzw. seinen Verlag betreffenden Meldungen aus dem Zeitraum Mitte Februar bis Anfang Juli sind auf einer eigenen Internet‐Seite zusammengefasst (Anlage Ag 5).

Angesichts der während einiger Monate immer wieder erfolgten Meldungen über den Antragsgegner, dessen Ehefrau und den Verlag des Antragsgegners sind die streitgegenständlichen Äußerungen des Antragsgegners als Beantwortung der Vielzahl von Angriffen in der öffentlichen Meinungsbildung jedenfalls nicht überschießend unangemessen, um eine gleichwertige Wirkung auf die Meinungsbildung entfalten zu können.

Durch die streitgegenständlichen Äußerungen setzt sich der Antragsgegner erkennbar zugespitzt, pauschalisierend und damit auch polemisierend dagegen zur Wehr, durch die Antragstellerin in der Öffentlichkeit herabgesetzt zu werden. Dies ist zulässig, da der Antragsgegner sich angesichts der vielen Meldungen der Antragstellerin von ihr in seinem Geltungsanspruch angegriffen verstehen darf. Den vielen Meldungen der Antragstellerin lässt sich entnehmen, dass es ihr vor allem darum geht, den Antragsgegner in einem ungünstigen Licht erscheinen zu lassen. Die Antragstellerin benutzt dabei u. a. das Mittel der Wiederholung, bezieht sich mehrmals auch auf nicht näher untermauerte Verdachtsberichterstattung und kennzeichnet den Antragsgegner immer wieder als unseriösen Geschäftemacher. Fordert die Antragstellerin den Antragsgegner auf diese Weise zu einer entgegengesetzten Äußerung heraus, dann hat sie hinzunehmen, dass die Gegenäußerung polemisch zugespitzt und pauschal ausfällt. Die Form der Beantwortung eines Angriffs in der Meinungsöffentlichkeit darf mit dem Zweck frei gewählt werden, dass sie geeignet ist, den Angriff gleichwertig zu beantworten. Die verteidigende Gegenäußerung des Antragsgegners ist unter dem Gesichtspunkt der Gegenreaktion – des so genannten Gegenschlags ‐ gerechtfertigt, weil sie der Wirkung auf die Meinungsbildung den Angriffen der Antragstellerin entspricht. Die pauschale und zugespitzte Äußerung des Antragsgegners, dass es sich bei den Äußerungen der Antragstellerin insbesondere um eine Kampagne, um Lügen, Verdrehungen und Unterstellungen handele, ist in ihrer Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung vergleichbar mit den sie veranlassenden Äußerungen der Antragstellerin.

Der Begriff „Rufmordkampagne“ stellt sich zudem vor dem Hintergrund der Vielzahl von Meldungen der Antragstellerin nicht als falsche Tatsachenbehauptung dar. Bei vernünftiger Würdigung umschreibt der Begriff „Rufmordkampagne“ ein Verhalten, das objektiv darauf angelegt ist, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit zu verschlechtern, und sich als eine zusammenhängende Mehrheit von Handlungen darstellt. Angesichts der großen Zahl und der engen zeitlichen Folge der in Rede stehenden Veröffentlichungen der Antragstellerin, die oftmals keinen äußeren aktuellen Anlass erkennen lassen und den Inhalt haben, der Antragsgegner bzw. sein Verlag würden ein unseriöses Gebaren zeigen, stellen sich diese Veröffentlichungen als ein Verhalten dar, das darauf gerichtet ist, das Ansehen des Antragsgegners in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.

II.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6 ZPO.