Facebook, Niedersächsisches Schlichtungsgesetz, Beleidigung
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Landgericht Oldenburg
Geschäfts-Nr.:
5 T 529/12
Oldenburg, 21.08.2012

LANDGERICHT OLDENBURG

Beschluss

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Delmenhorst dem Antragsteller die begehrte Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen versagt.
   
Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg; denn das Amtsgericht hat zu Recht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verneint.

Die beabsichtigte Klage ist unzulässig.
   
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Niedersächsisches Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung (Niedersächsisches Schlichtungsgesetz - NSchlG) ist in den in Absatz 2 genannten Streitigkeiten die Erhebung einer Klage vor den Amtsgerichten erst zulässig, nachdem vor einem Schiedsamt nach dem Niedersächsischen Schiedsämtergesetz (NSchÄG) als Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit zwischen den Parteien einvernehmlich beizulegen (obligatorische Streitschlichtung).

In Abs. 2 Nr. 4 dieses Gesetzes ist als Streitigkeit aufgeführt:
   
"wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist."

Eine solche Streitigkeit liegt hier vor. Die Parteien wohnen unter derselben Anschrift. Gleichwohl nutzten sie das soziale Netzwerk "Facebook", nachbarschaftliche Differenzen auszutragen. Der Meinungsaustausch eskalierte sodann, indem der Antragsgegner den Antragsteller mehrfach mit Verbalinjurien sexuellen Inhalts bedachte und in einem Beitrag äußerte: "…ich wünsche dir und deiner Rasse den tot".
   
Derartige Äußerungen stellen eine reine Ehrverletzung dar. Die Ehre ist ein Unterfall des durch  Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit  Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Persönlichkeitsrechts. Ginge die Verletzungshandlung über die Ehrverletzung hinaus und läge eine weitergehende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor, hinderte das NSchÄG nicht die sofortige Klage vor dem Zivilgericht.
  
Die von dem Antragsgegner geäußerten Schimpfworte stellen eine Formalbeleidigung i.S. des § 185 StGB dar und sind zivilrechtlich als reine Ehrverletzung zu behandeln. Die Todesdrohung könnte sich hingegen gegen die auch durch das Gewaltschutzgesetz geschützten weiteren Rechtsgüter Leben, Körper und Gesundheit richten und damit über die Ehrverletzung hinausgehen.

In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob eine solche Äußerung als Bedrohung oder als Beleidigung gemeint und aufzufassen ist.

Aus dem Kontext der gesamten Aussagen ist nicht zu entnehmen, dass der Antragsgegner den Antragsteller körperlich attackieren will. Unter diesem Blickwinkel ist der Tod einerseits als Wunsch formuliert und zum anderen beleidigend gemeint. Es sollte die Missachtung ausgedrückt werden: Die "Rasse" des Antragstellers habe kein Recht auf Leben und nichts anderes als den Tod verdient.

Handelt es sich somit bei den Äußerungen des Antragsgegners um Ehrverletzungen, fände das NSchÄG gleichwohl keine Anwendung, wenn diese "in Presse oder Rundfunk" begangen worden wären.

Äußerungen in "Facebook" sind dem nicht gleichzustellen. Der zivilrechtliche Rundfunkbegriff wird in Niedersachsen von § 2 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag - RStV) definiert. Mitteilungen in Facebook würden nach § 2 Abs. 3 RStV nicht als Rundfunk gelten. Danach sind Angebote kein Rundfunk, die weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden (Nr. 1), ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen (Nr. 3) oder nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind (Nr. 4).

Mindestens das Letzte wäre hier der Fall.
   
Der vom Bundesverfassungsgericht verwendete Rundfunkbegriff geht weiter. So heißt es im Beschluss vom 27.03.1987 (BVerfGE 74, 297, Rn 132):
   
"Soll die Rundfunkfreiheit in einer sich wandelnden Zukunft ihre normierende Wirkung bewahren, dann kann es nicht angehen, nur an eine ältere Technik anzuknüpfen, den Schutz des Grundrechts auf diejenigen Sachverhalte zu beschränken, auf welche diese Technik bezogen ist, und auf diese Weise die Gewährleistung in Bereichen obsolet zu machen, in denen sie ihre Funktion auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten durchaus erfüllen könnte."

Unter diesem Blickwinkel kann das Internet unter den Rundfunkbegriff subsumiert werden.

Das gilt jedoch nicht für die Auslegung des Rundfunkbegriffs im NSchÄG. Dort geht es um die gerichtliche Zuständigkeit. Für den ähnlichen Fall der richterlichen Zuständigkeit des Einzelrichters in Zivilsachen hatte der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren unter der Ziff. a) in § 348 Abs. 1 ZPO - Streitigkeiten in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen - die herausgehobene öffentliche Bedeutung dieser Rechtsstreitigkeiten im Auge (BT-Drucks. 14/4722 S. 88).
  
Facebook-öffentlich ausgetragene Meinungsverschiedenheiten genießen nicht diese öffentliche Bedeutung. Die Kammer verwendet daher für die hier zu entscheidende Zuständigkeitsfrage die Abgrenzung des § 2 Abs. 3 RStV. Hier handelt es sich um eine persönliche Auseinandersetzung die zudem nur Facebookmitgliedern zugänglich ist.

Facebookseiten sind auch nicht als Presse zu verstehen. Unter "Presse" werden in erster Linie periodisch erscheinende Werke verstanden, es können aber auch Bücher, Flugblätter oder Plakate darunter fallen (Schiwy/Schütz/Dörr, Medienrecht, 5. Aufl., Stichwort "Pressefreiheit", S. 424). Nach dem Schutzzweck können Äußerungen der hier in Rede stehenden Form dem nicht gleichgestellt werden.