Oberlandesgericht Muenchen Schadensersatz Beschlagnahme Computer Beschluss § 2 StrEG § 7 StrEG § 249 BGB
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23.03.2010
Aktenzeichen: 1 W 2689/09

Oberlandesgericht München

Beschluss

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 02.10.2009, Az. 9 O 18123/09, dahingehend abgeändert, dass der Antragstellerin Prozesskostenhilfe zur klageweise Geltendmachung einer Entschädigung in Höhe von 177 EUR bewilligt wird.

Ihr wird Rechtsanwalt ... beigeordnet.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin, die den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Kinder durch Leistungen nach SGB II bestreitet, begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Entschädigung für eine 77-tägige Beschlagnahme eines Laptops und eines PC´s im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. Mit Beschluss vom 02.10.2009 hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 04.11.2009. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung hat in Höhe eines Betrages von 177 EUR hinreichende Erfolgsaussichten (§ 114 ZPO).

Aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Landshut vom 1.12.2008 steht dem Grunde nach fest, dass die Antragstellerin für die am 09.07.2008 durchgeführte Durchsuchung der Wohnung sowie für die Beschlagnahme eines PC´s und eines Laptops zu entschädigen ist. Die Staatsanwaltschaft hat einen Zahlungsantrag der Antragstellerin mit Schreiben vom 23.06.2009 zurückgewiesen.

Gemäß §§ 2, 7 Abs. 1 StrEG hat die Antragstellerin Anspruch auf Entschädigung des durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachten Vermögensschadens. Soweit sich aus dem StrEG nichts Gegenteiliges ergibt, sind grundsätzlich für die Höhe der Entschädigung die §§ 249 bis 252 BGB anzuwenden (BGH NJW 75, 347). Nachdem die Rechtsprechung bis Mitte der 1980-er Jahre großzügig war bei der Anerkennung eines Schadens durch Verlust der Gebrauchsmöglichkeit einer Sache - es wurde beispielsweise für die entgangene Nutzung von Schwimmhallen, Flugzeugen oder Yachten Geldbeträge zugesprochen - sind seit der Grundsatzentscheidung des Großen Zivilsenats des BGH vom 09.07.1986 (BGH NJW 87, 50) die Kriterien wesentlich enger gefasst. Maßgeblich ist demnach, ob es sich um Lebensgut handelt, dessen ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist. Bejaht wird dies in der Rechtsprechung - abgesehen vom KFZ - für die Wohnung, elementare Haushaltsgegenstände (Kühlschrank, Herd) und wohl auch für den Fernseher (vgl. hierzu Palandt, BGB, 69. Aufl., Rn. 49 zu § 249 BGB). Angesichts der zunehmenden Bedeutung, die die Nutzung eines Computers in Privathaushalten hat, hält es der Senat zumindest für diskutabel, dass die ständige Verfügbarkeit eines solchen Gerätes mittlerweile zum notwendigen Lebensbedarf gehört. Maßgebliche Aspekte sind hierbei der hohe Grad der Verbreitung, vor allem aber die ständig zunehmende Internet-Nutzung im privaten Alltag, sei es zur Informationsbeschaffung, zur Kommunikation, zur Abwicklung von Geschäften oder als Unterhaltungsmedium (vgl. auch LG Stuttgart, Urteil vom 15.05.2009, Az. 15 O 306/08), die in aller Regel einen Computer erfordert. Vorliegend hat die Antragstellerin auch geltend gemacht, dass sie die sichergestellten Geräte hierfür genutzt hat und dass ihr dies in der Zeit der Beschlagnahme nicht möglich war.

Allerdings kommt eine Entschädigung nicht für mehrere Geräte in Betracht, es genügt vielmehr zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung die Möglichkeit der Nutzung eines internetfähigen Computers (vgl. LG Stuttgart, aaO.).

Desweiteren kann in den Fällen eines entschädigungspflichtigen entgangenen Gebrauchsvorteils zwar der marktübliche Mietpreis einer Sache als Ausgangspunkt für die Schadensschätzung nach § 287 ZPO herangezogen werden, dieser ist jedoch um die Gewinnspanne des Vermieters und die bei privater Nutzung nicht anfallenden Kosten zu bereinigen, da es nicht auf das Reparationsinteresse, sondern auf das Kompensationsinteresse ankommt. In der Regel unbedenklich ist eine Schadensschätzung auf 40 % der üblichen Miete (Palandt, aaO., Rn. 52).

Vorliegend schätzt der Senat den täglichen Nutzungswert für ein Gerät, das mit den Computern der Antragstellerin vergleichbar wäre, auf eine Größenordnung von etwa 2,30 EUR täglich. Dies würde einer monatlichen Bruttomiete von ca. 200 EUR entsprechen, was der Senat jedenfalls für ausreichend hält, um sich ein adäquates Ersatzgerät zu beschaffen. Für 77 Tage errechnet sich hieraus ein Entschädigungsbetrag von 177 EUR. In dieser Höhe sind die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage zu bejahen. Ihre Bedürftigkeit hat die Antragstellerin anhand der vorgelegten Unterlagen belegt.

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus Prozesskostenhilfe begehrt, ist die sofortige Beschwerde zurückzuweisen, da keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen. Aus den dargelegten Gründen kann die Antragstellerin weder Ersatz für zwei Computer verlangen, noch hat sie Anspruch auf Ersatz des durchschnittlichen, lediglich um die Mehrwertsteuer bereinigten Mietzins.

III. Für eine Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Unterschriften