Oberlandesgericht Schleswig, fliegender Gerichtsstand, Persoenlichkeitsrechtsverletzung
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Aktenzeichen: Az. 2 AR 4/14
21.01.2014

Oberlandesgericht Schleswig

Beschluss

In dem Rechtsstreit


........................................
- Kläger -
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt 


gegen

........................................
- Beklagte -
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt 
 
Tenor:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Lübeck bestimmt.
 
Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch, die ihm wegen der Veröffentlichung eines so genannten Paparazzi-Fotos in einer Zeitschrift der Beklagten entstanden seien.

Im Verlag der Beklagten erscheint unter anderem die Zeitschrift „Die A.“. In der Ausgabe vom 13. April 2013 veröffentlichte sie zu dem Artikel mit der Überschrift „Das Baby-Glück verzaubert C.!“ ein Foto, auf dem der Kläger zu sehen ist. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers, denen er eine umfassende Vollmacht zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung in Medienangelegenheiten erteilt hat, forderten die Beklagte mit Schreiben vom 17. April 2013 auf, die beigefügte Unterlassungserklärung abzugeben. Dem kam die Beklagte mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18. April 2013 „ohne Präjudiz für einen etwaigen Rechtsstreit“ nach (Anlage K 4, Bl. 11 f. d. A.).

Die Bevollmächtigten des Klägers gaben mit Schreiben vom selben Tag der Beklagten „den Schadensersatz unserer Mandantschaft für die Kosten unserer Inanspruchnahme“ auf. Beigefügt war die Rechnung der Klägervertreter vom 18. April 2013 über 891,31 € (1,5 Geschäftsgebühr nach einem Wert von 10.000,00 € zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale und MwSt., Anlage K 5, Bl. 14 d. A.). Die Beklagte vertrat die Auffassung, es sei lediglich eine Geschäftsgebühr mit einem Satz von 0,5 zu erstatten, und zahlte 312,97 € (Anlage K 6, Bl. 15 d. A.). Wegen der Differenz von 578,34 € hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2013 Klage beim Amtsgericht Lübeck eingereicht. Der Kläger meint, die Veröffentlichung des Paparazzi-Fotos sei ein rechtswidriger Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht bzw. in sein Recht am eigenen Bild. Der Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen und von ihm bereits ausgeglichenen Rechtsanwaltskosten ergebe sich aus § 823 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK, §§ 249, 683, 670 BGB.

Das Amtsgericht Lübeck hat den Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2013 darauf hingewiesen, dass es auch unter dem Gesichtspunkt „fliegender Gerichtsstand“ unzuständig sein dürfe. Es fehle bislang am örtlichen Bezug zu Lübeck. Ggf. sollte die Abgabe an das Amtsgericht München beantragt werden.

Der Kläger ist dem mit Schriftsätzen vom 23. Juli und 2. August 2013 entgegengetreten. Er meint, das Amtsgericht Lübeck sei nach § 32 ZPO, Art 5 Nr. 3 EuGVVO örtlich zuständig. Die Zeitschrift „Die Aktuelle“ werde bundesweit ohne lokale Präferenz vertrieben und sei an jedem Kiosk in Deutschland erhältlich, so auch in Lübeck. Die Beklagte habe damit rechnen müssen bzw. es auch beabsichtigt, dass die Zeitschrift in Lübeck verkauft und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werde. Der Erfolgsort der Rechtsverletzung sei daher auch Lübeck. Ausdrücklich nur hilfsweise hat der Kläger die Verweisung an das Amtsgericht Hamburg beantragt.

Die Beklagte hat mit ihrer Klageerwiderung vom 20. September 2013 die internationale und örtliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Lübeck gerügt. Sie ist der Auffassung, § 32 ZPO, Art 5 Nr. 1 und 3 EuGVVO seien nicht anwendbar, weil mit der Klage in Wirklichkeit ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag geltend gemacht und der Ausgleich der – nicht an den Kläger, sondern an sie gerichteten – Rechnung vom 18. April 2013 verlangt werde. Zudem sei die Anrufung des Amtsgerichts Lübeck rechtsmissbräuchlich. Die Klägervertreter als ständige anwaltliche Vertreter der „Monegassen-Familie“ würden Verfahren über nahezu identische Fälle willkürlich und ausschließlich zum Zweck der Kostenmaximierung an verschiedenen Amtsgerichten anstrengen, die zudem möglichst weit von München entfernt seien. Damit wollten sie die Verfahren für sie, die Beklagte, wirtschaftlich so unattraktiv wie möglich machen. In keinem der Verfahren hätten die Klägervertreter je behauptet, überhaupt eines der jeweiligen Zeitschriftenexemplare am Gerichtsort festgestellt zu haben.

Das Amtsgericht Lübeck hat sich mit Beschluss vom 23. September 2013 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit „an das Amtsgericht Hamburg (fliegender Gerichtsstand mit Anknüpfungspunkt ‚Kanzleisitz‘)“ verwiesen. Das Amtsgericht Hamburg hält den Verweisungsbeschluss dagegen für nicht bindend und hat die Parteien zur beabsichtigten Vorlage der Sache gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht angehört.

Der Kläger hat daraufhin weiter zur bundesweiten Verbreitung der Zeitschrift „Die Aktuelle“ vorgetragen (Anlage K 7, Bl. 89 ff. d. A.) und die Auffassung vertreten, er und seine Angehörigen seien berechtigt, ihre Rechte wegen verschiedener vorsätzlich begangener Persönlichkeitsrechtsverletzungen in getrennten Verfahren geltend zu machen. Die Wahl des Gerichtsstandes sei auch nicht notwendig Kosten erhöhend. Der Beklagten stehe es frei, einen (kostengünstigen) Korrespondenzanwalt im Gerichtsbezirk des angerufenen Amtsgerichts zu wählen oder einen Kollegen für die Terminsvertretung vor Ort zu beauftragen.

Die Beklagte hat ebenfalls an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und ausgeführt, dass selbst das Amtsgericht Hamburg nicht nach § 32 ZPO zuständig sei, jedenfalls aber nicht das Amtsgericht Lübeck.

Das Amtsgericht Hamburg hat sich mit Beschluss vom 11. Dezember 2013, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, für örtlich unzuständig erklärt und die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Auf die zulässige Vorlage bestimmt der Senat das Amtsgericht Lübeck als örtlich zuständiges Gericht für den Rechtsstreit.

1.
Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Dies ist hier der Fall.

Die Amtsgerichte Lübeck und Hamburg haben sich mit ihren Beschlüssen vom 23. September 2013 und 11. Dezember 2013 jeweils abschließend für unzuständig erklärt. Beide Beschlüsse sind den Parteien mitgeteilt worden und damit rechtskräftig im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 36 Rn. 25). Ob einem Verweisungsbeschluss im Einzelfall keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zukommt, ist nicht für die Frage der Zulässigkeit der Vorlage zu prüfen, sondern bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts zu beachten (Zöller-Vollkommer, a. a. O., m. w. N.).

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren berufen, weil das Amtsgericht Lübeck zuerst mit der Sache befasst gewesen ist.

2.
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist das Amtsgericht Lübeck zuständig. Der Kläger hat dieses Gericht als örtlich zuständiges Gericht angerufen und damit von dem ihm zustehenden Wahlrecht unter mehreren Gerichtsständen wirksam Gebrauch gemacht (a.). Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Lübeck ist auch nicht nachträglich durch den Verweisungsbeschluss vom 23. September 2013 entfallen; der Beschluss hat für das Amtsgericht Hamburg keine Bindungswirkung (b.).

a.
Der Verweisungsbeschluss vom 23. September 2013 ist in der Sache unrichtig, weil das Amtsgericht Lübeck zu Unrecht seine örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO verneint hat.

(1)
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den vorliegenden Rechtsstreit ist dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ernsthaft zweifelhaft. Der in Frankreich ansässige Kläger kann die Beklagte, eine nach deutschem Recht gegründete GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, bereits nach Art. 2 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 EuGVVO vor den deutschen Gerichten verklagen. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO wären die deutschen Gerichte im Übrigen zuständig für die Klage gegen eine Person, die ihren allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 12, 17 ZPO in Deutschland hat. Soweit nach §§ 12 ff. ZPO ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist es nach deutschem Recht auch international zuständig (BGHZ 44, 46).

(2)
Das innerhalb der Bundesrepublik Deutschland örtlich zuständige Gericht bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO (Zöller-Geimer, a. a. O., Art. 2 EuGVVO Rn. 6, 29). Hier greift § 32 ZPO ein. Nach dieser Vorschrift ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist.

Der Kläger klagt aus unerlaubter Handlung.

Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (bzw. hier speziell des Rechts am eigenen Bild, vgl. dazu Palandt-Sprau, BGB, 73. Auflage, § 823 Rn. 112a ff., m. w. N.) kann im Gerichtsstand nach § 32 ZPO geltend gemacht werden (BGHZ 131, 332; Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 32 Rn. 5, 17). Der Kläger stützt den geltend gemachten Anspruch in der Sache auf § 823 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Dazu hat er Tatsachen über die Veröffentlichung des so genannten Paparazzi-Fotos durch die Beklagte vorgetragen und behauptet, ihm seien dadurch die nun gegenüber der Beklagten abgerechneten Anwaltskosten entstanden, welche er auch bereits ausgeglichen habe (Seite 3 unten der Klageschrift, Bl. 3 d. A.).

Ob dem Kläger im Ergebnis tatsächlich ein Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Persönlichkeitsrechtsverletzung zusteht, ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Die so genannten doppelrelevanten Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit, als auch für die Begründetheit einer Klage von Bedeutung sind, bedürfen nicht schon bei der Zulässigkeitsprüfung des Nachweises (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013, III ZR 82/11, bei juris; Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 12 Rn. 14).

Dass der Kläger die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten auch unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB verlangt, steht der Zuständigkeit der Gerichte im deliktischen Gerichtsstand nicht entgegen. Das zulässiger Weise im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung angerufene Gericht hat eine umfassende Entscheidungskompetenz auch in Bezug auf konkurrierende materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen (BGH, NJW 2003, S. 828 ff.).

Die Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, dass sich aus § 32 ZPO im vorliegenden Fall keine Zuständigkeit des Gerichts für die Prüfung auch des Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergebe (so Seite 8 der Klageerwiderung, Bl. 45 d. A.). Die umfassende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz unter allen rechtlichen Gesichtspunkten ist nur in Bezug auf die internationale Zuständigkeit nicht eröffnet (BGH, a. a. O.). Für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte kommt es hier aber gar nicht darauf an, ob und wo ggf. der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung begründet ist. Nur die örtliche Zuständigkeit ist nach § 32 ZPO zu beurteilen.

Die vom Kläger behauptete unerlaubte Handlung ist jedenfalls auch in Lübeck begangen worden.

Unter dem Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO ist zum einen der Handlungsort zu verstehen, an dem der Rechtsverletzer gehandelt hat, und zum anderen der Erfolgsort, an dem die Verletzung des Rechts eintritt (BGHZ 184, 313; Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 32 Rn. 16, m. w. N.). Der Erfolgsort liegt hier – unter anderem – im Bezirk des Amtsgerichts Lübeck.

Zur Begründung des deliktischen Gerichtsstandes gerade für dieses Gericht genügt es, dass der Kläger schlüssig zur Verbreitung der Zeitschrift „Die Aktuelle“ im gesamten Bundesgebiet und damit auch in Lübeck vorgetragen hat. Ob gerade der Kläger oder seine Bevollmächtigten positiv festgestellt haben, dass mindestens ein Exemplar der betroffenen Ausgabe der Zeitschrift im Bezirk des Amtsgerichts Lübeck verkauft worden ist, ist nicht von Bedeutung. Entscheidend ist, dass die Zeitschrift dort tatsächlich vertrieben worden ist. Die Beklagte hat dagegen nur geltend gemacht, die Klägervertreter hätten dort kein Exemplar festgestellt (Seite 11 der Klageerwiderung, Bl. 48 d. A.).

Angesichts des unstreitigen Vertriebs im ganzen Bundesgebiet kann und will sie offensichtlich nicht behaupten, der Bezirk des Amtsgerichts Lübeck sei aus dem Verbreitungsgebiet ausgenommen. Dass die Zeitschrift „Die Aktuelle“ sich bestimmungsgemäß auch an Leser im Bezirk des Amtsgerichts Lübeck wendet, ist nicht streitig.

Insoweit betreffen die im Hinweis des Amtsgerichts Lübeck vom 18. Juli 2013 zitierten Entscheidungen (BGHZ 184, 313; OLG München, MMR 2013, S. 259 f.) grundlegend andere Fälle. Darin heißt es, bei Internetdelikten sei nur dort der Erfolgsort im Sinne des § 32 ZPO gegeben, wo der beanstandete Internetauftritt gemäß der zielgerichteten Bestimmung abrufbar sei (vgl. dazu auch Senat, Beschluss vom 13. September 2013, 2 AR 28/13, bei juris). Diese Einschränkung ist aber für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht von Bedeutung, weil die Zeitschrift „Die Aktuelle“ sich gerade nicht nur an einen lokalen oder regionalen Markt wendet, sondern Leser im gesamten Bundesgebiet anspricht. Örtliche Beschränkungen des angesprochenen Personenkreises gibt es nicht.

Dementsprechend befindet sich hier der Erfolgsort der unerlaubten Handlung bei allen Gerichten in Deutschland. Dies gilt für den Bezirk des Amtsgerichts Lübeck ebenso wie für den Bezirk des Amtsgerichts Hamburg, ohne dass es Gründe für eine größere Sachnähe des einen oder des anderen Gerichts gäbe.

(3)
Unter den verschiedenen örtlich zuständigen Amtsgerichten hatte der Kläger nach § 35 ZPO die Wahl.

Grundsätzlich ist ein Kläger bei der Ausübung dieser Wahl frei und braucht weder den Gerichtsstand auszuwählen, an dem geringere Kosten entstehen, noch muss er auf die Belange des Beklagten Rücksicht nehmen (Senatsbeschluss vom 13. September 2013, a. a. O.; Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 35 Rn. 4, m. w. N.). Insbesondere steht es dem Kläger offen, bestehende Rechtsprechungsunterschiede zwischen den zuständigen Gerichten auszunutzen oder zu testen sowie ein Gericht des fliegenden Gerichtsstandes aus taktischen Gründen auszuwählen (Senatsbeschluss vom 13. September 2013, a. a. O.; OLGR Rostock 2009, S. 663 ff.; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, S. 763 ff.; OLG München, BayObLGR 2004, S. 239 f.).

Dies gilt allerdings nicht schrankenlos. Die durch die Regelung des fliegenden Gerichtsstandes ermöglichte deutschlandweite Gerichtswahl schließt die Annahme einer im Einzelfall rechtsmissbräuchlich getroffenen Wahl nicht aus (Senatsbeschluss vom 13. September 2013, a. a. O.; OLGR Rostock 2009, S. 663 ff.; KGR Berlin 2008, S. 470 ff.; LG Aurich, MMR 2013, S. 249 f.; Musielak-Heinrich, ZPO, 10. Auflage, § 35 Rn. 4; Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 35 Rn. 4). Indem die Klägerin das Amtsgericht Lübeck – und nicht das Amtsgericht Hamburg – angerufen hat, hat sie die Schwelle zum Ausnahmefall des Rechtsmissbrauchs jedoch nicht überschritten.

Die Ausnutzung eines formal gegebenen (fliegenden) Gerichtsstandes ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie aus sachfremden Gründen erfolgt, insbesondere in der Absicht, den Gegner zu schädigen (KGR Berlin 2008, S. 470 ff.; LG Aurich, MMR 2013, S. 249 f.). Hier besteht dagegen keine ausreichende Grundlage für die Annahme, der Kläger habe das Amtsgericht Lübeck zu dem Zweck ausgewählt, der Beklagten die Rechtsverteidigung zu erschweren und sie zu schikanieren.

Wie bereits im Beschluss vom 13. September 2013 ausgeführt, erachtet der Senat zwar die vom Landgericht Aurich getroffene Entscheidung für den dort zugrunde liegenden Sachverhalt für richtig. Das Landgericht Aurich hatte nicht nur keinen Bezug zu den dortigen Verfahrensbeteiligten und deren Prozessbevollmächtigten, sondern es zeichnet sich aus Sicht eines Abmahners insbesondere dadurch aus, dass es im Bundesgebiet besonders abgelegen ist und an seinem Sitz nicht einmal ein Bahnhof für Personenbeförderung vorhanden ist (LG Aurich, a. a. O.). Daraus leitete das Landgericht Aurich die Absicht der dortigen Antragstellerin her, dem Antragsgegner die Rechtsverteidigung zu erschweren und ihn durch die Wahl des nur schwer zu erreichenden Gerichtsortes zu benachteiligen.

Diese Annahme liegt nahe, wenn im fliegenden Gerichtsstand ausgerechnet ein besonders entlegenes Gericht gewählt wird, nämlich in der Hoffnung, der Gegner werde sich im gerichtlichen Verfahren nicht zur Wehr setzen, weil er die Kosten und den erheblichen persönlichen Aufwand einer Reise scheut. Hier dagegen hat der Kläger sich mit dem Amtsgericht Lübeck zweifellos nicht für ein besonders entlegenes und/oder verkehrsmäßig schlecht angebundenes Gericht entschieden.

Dass dieses Gericht – ebenso wie die anderen zurzeit von dem Kläger und seinen Angehörigen angerufenen Gerichte – verhältnismäßig weit vom Sitz der Beklagten entfernt liegt, ist dem nachvollziehbaren Umstand geschuldet, dass die Klägervertreter in Hamburg ansässig sind und sich offensichtlich für Gerichte in der Nähe ihres Kanzleisitzes entschieden haben. Aus welchem Grund gerade das Amtsgericht Lübeck gewählt wurde, ist dabei nicht von Bedeutung. Es steht dem Kläger im Rahmen des fliegenden Gerichtsstandes jedenfalls frei zu testen, welches der Amtsgerichte im Umfeld der Kanzlei seiner Bevollmächtigten etwa besonders zeitnah oder am ehesten in seinem Sinne entscheidet.

Der vorliegende Fall ist entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl. Seite 11 der Klageerwiderung, Bl. 48 d. A.; Seite 2 des Schriftsatzes vom 5. Dezember 2013, Bl. 152 d. A.) gerade nicht mit der Konstellation zu vergleichen, die das Kammergericht in seinem Beschluss vom 25. Januar 2008 (KGR Berlin 2008, S. 470 ff.) zum Anlass genommen hat, von einer rechtsmissbräuchlichen Gerichtswahl auszugehen. Die dortige Antragstellerin hatte als Massenabmahner die Gerichtswahl in einer Vielzahl von Fällen jeweils nicht nach ihren eigenen Präferenzen getroffen, sondern prinzipiell in der Weise, dass das angerufene Gericht möglichst weit vom Wohn- und Geschäftssitz des Gegners entfernt lag. So hatte die dortige Antragstellerin zum Beispiel vor dem Landgericht Köln Antragsgegner aus Hamburg oder Bautzen in Anspruch genommen, während das Landgericht Hamburg für Anträge gegen Antragsgegner aus Bonn oder Düsseldorf angerufen wurde. Nach derartigen Kriterien haben der Kläger und seine Angehörigen die angerufenen Gerichte gerade nicht gewählt. Sie haben vielmehr nur Gerichte angerufen, die in verhältnismäßig geringer Entfernung zum Kanzleisitz ihrer ständigen anwaltlichen Vertreter liegen.

Im Übrigen liegt die Schwelle zur rechtsmissbräuchlichen Gerichtswahl auch deutlich höher, wenn die behauptete Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Printmedien erfolgt, die aufgrund einer bewussten unternehmerischen Entscheidung im gesamten Bundesgebiet vertrieben werden, als wenn ein Massenabmahner wegen im Internet begangener Delikte Verbraucher und Kleingewerbetreibende weit entfernt von ihrem jeweiligen Wohnsitz in Anspruch nimmt. Letzteres traf in dem Fall zu, der dem Senatsbeschluss vom 13. September 2013 zugrunde liegt. Der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern in Urheberrechtssachen hat mittlerweile auch der Gesetzgeber mit der seit dem 9. Oktober 2013 geltenden Gerichtsstandsregelung in § 104a UrhG Rechnung getragen. Hier dagegen steht dem Kläger und seinen Angehörigen ein Unternehmen gegenüber, das nicht nur adäquat auf möglicherweise unberechtigte Abmahnungen reagieren könnte, sondern insbesondere auch alle Konsequenzen einer möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits in seine Prüfung und Entscheidung darüber einbeziehen kann, ob wirklich ein bestimmtes Bild veröffentlicht werden oder eine Berichterstattung erfolgen soll.

Schließlich kann die Beklagte sich für die Frage der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht darauf berufen, bereits das getrennte gerichtliche und/oder außergerichtliche Vorgehen des Klägers und seiner Angehörigen aufgrund einer einheitlichen Veröffentlichung sei rechtsmissbräuchlich.

Wenn eine Angelegenheit vorgerichtlich künstlich aufgespalten wird, um mehrere Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 VV-RVG geltend machen zu können, mag dies für die Begründetheit einer Klage auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten von Bedeutung sein. Eine rechtsmissbräuchliche gerichtliche Verfolgung derselben Sache in mehreren Rechtsstreitigkeiten kann ggf. im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden; darauf bezieht sich der von der Beklagten angeführte Beschluss des BGH vom 20. November 2012 (VI ZB 3/12, NJW-RR 2013, S. 442 ff.). Hier dagegen geht es zunächst nur um die Frage, ob der Kläger im Rahmen des so genannten fliegenden Gerichtsstandes gerade das Amtsgericht Lübeck auswählen durfte. Dies ist aus den dargestellten Gründen der Fall.

(4)
Dass der deliktische Gerichtsstand nach § 32 ZPO ursprünglich auch beim Amtsgericht Hamburg eröffnet war, ändert nichts daran, dass jetzt nur noch das Amtsgericht Lübeck zuständig ist. Der Kläger hat das ihm nach § 35 ZPO zustehende Wahlrecht wirksam und unwiderruflich ausgeübt, indem er die Sache beim Amtsgericht Lübeck rechtshängig gemacht hat. Die zuvor bloß zusätzlich gegebenen Gerichtsstände sind mit der nach § 35 ZPO wirksam erfolgten Wahl entfallen.

b.
Das Amtsgericht Lübeck ist auch nicht nachträglich durch eine bindende Verweisung an das Amtsgericht Hamburg unzuständig geworden. Verweisungsbeschlüsse sind zwar grundsätzlich nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend. Der Verweisungsbeschluss vom 23. September 2013 hat diese Wirkung jedoch nicht.

Ein Verweisungsbeschluss ist ausnahmsweise nicht nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher objektiv willkürlich ist (vgl. nur BGH, NJW 1993, S. 1273; Senat, NJW-RR 2010, S. 533 ff.; 1111 f.; Zöller-Greger, a. a. O., § 281 Rn. 17, m. w. N.) bzw. mangels Begründung nicht erkennen lässt, ob er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 281 Rn. 56, m. w. N.). So liegt es hier.

Der Verweisungsbeschluss vom 23. September 2013 ist nur mit dem Klammerzusatz „fliegender Gerichtsstand mit Anknüpfungspunkt ‚Kanzleisitz‘„ begründet worden. Er enthält nicht einmal im Ansatz eine Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Fragen des Begehungsortes der streitgegenständlichen unerlaubten Handlung und des möglichen Rechtsmissbrauchs im konkreten Fall. Dazu bestand Anlass, nachdem beide Parteien ausführlich ihre Standpunkte dazu dargelegt hatten. Der Kläger hat in seiner Stellungnahme vom 23. Juli 2013 auch deutlich gemacht, warum jedenfalls der Hinweis vom 18. Juli 2013 auf die Entscheidungen BGHZ 184, 313, und OLG München, MMR 2013, S. 259 f., für den vorliegenden Fall neben der Sache liegt. Auf den Vortrag beider Parteien ist das Amtsgericht Lübeck nicht eingegangen. Die objektive Willkürlichkeit der Verweisungsentscheidung entfällt dementsprechend nicht etwa deshalb, weil das verweisende Gericht sich für seine – wenn auch unrichtige – Auffassung auf jedenfalls vertretbare Argumente beruft (vgl. dazu Senat, NJW-RR 2010, S. 533 ff.).

Im Übrigen hat ein Verweisungsbeschluss auch dann keine Bindungswirkung, wenn er unter Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs ergeht (Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, a. a. O., § 281 Rn. 57, m. w. N.). Das Amtsgericht Lübeck hat die Verweisungsentscheidung am 23. September 2013 getroffen, ohne den Kläger zu der am selben Tag eingegangenen Klageerwiderung anzuhören, in der die Beklagte umfangreiche Ausführungen zur Unzuständigkeit des Amtsgerichts Lübeck gemacht hat. Die Frage eines möglichen Rechtsmissbrauchs bei der Gerichtswahl, auf die es hier entscheidend ankommt, war dementsprechend bei der Verweisung nicht einmal hinsichtlich der zu berücksichtigenden Tatsachen geklärt.

Da der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Lübeck damit keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO hat, ist es bei der Zuständigkeit dieses Gerichts geblieben.