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Zitierhinweis :
http://transpatent.com/ra_krieger/olg20u194.html
22.03.2001
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OBERLANDESGERICHT D�SSELDORF


IM NAMEN DES VOLKES

 

URTEIL

Mitgeteilt von Dr. H. Jochen Krieger
Rechtsanwalt in D�sseldorf

 

OLG 20 U 194/00
LG 2a 0 109/00

Verk�ndet am 20. Februar 2001

Stodola, Justizangestellte
als Urkundsbeamter der
Gesch�ftsstelle

 

In dem Rechtsstreit

der Symicron GmbH Software Engineering, vertreten durch ihren Gesch�ftsf�hrer ...

 

- Proze�bevollm�chtigter:

 

 

gegen

 

Frau U. St. ...

 

 

 

- Proze�bevollm�chtigter:

 

 

- Streithelferin der Kl�gerin:

WEKA Computerzeitschriftenverlag GmbH, vertreten durch ihren Gesch�ftsf�hrer, ...

 

- Proze�bevollm�chtigter

 

erster Instanz:

 

 

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts D�sseldorf auf die m�ndliche Verhandlung vom 20. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Berneke sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Schmidt und Sch�ttpelz

 

 

f�r R e c h t erkannt:

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r � n d e

 

Die Berufung ist zul�ssig, aber unbegr�ndet.

Zu Recht hat das Landgericht die Widerklage abgewiesen. Hierzu hat der Senat in der m�ndlichen Verhandlung darauf hingewiesen, da� die mit der Widerklage eingeklagten Anwaltskosten in H�he von 1.633,80 DM (vgl. Rechnung Anl. 2 zur Klageschrift) der Beklagten ohne R�cksicht auf die markenrechtliche Problematik schon deshalb nicht zustehen, weil die vorprozessuale Einschaltung des "Hausanwaltes" der Beklagten zum Zwecke der Abmahnung der Kl�gerin nicht erforderlich war.

Unter solchen Umst�nden entf�llt ein Erstattungsanspruch sowohl nach den Vorschriften �ber die Gesch�ftsf�hrung ohne Auftrag als auch nach Schadensersatzrecht. St�tzt man die Erstattung der Abmahnkosten mit der heute vorherrschenden Ansicht auf einen Anspruch aus Gesch�ftsf�hrung ohne Auftrag (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Anspr�che, 7. Aufl., Kap. 41, Rdnr. 84), dann stehe der Beklagten ein Aufwendungsersatzanspruch nach � 670 BGB nicht zu, weil sie die Einschaltung eines Rechtsanwalts den Umst�nden nach nicht f�r erforderlich halten durfte (vgl. Pastor/Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsproze�, 4. Aufl., Kap. 18, Rdnr. 19). Sieht man die Abmahnkosten als Teil eines Schadens an, den der Verletzer (hier etwa nach � 14 Abs. 6 MarkenG) zu ersetzen hat (vgl. Teplitzky a.a.O., Kap. 41, Rdnr. 82), ist ebenfalls entscheidend, da� vorliegend die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts nicht erforderlich war (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., � 249, Rdnr. 21; Teplitzky, a.a.O.).

Im Bereich des Markenrechts ist ein solcher Fall zwar die Ausnahme (vgl. zum allgemeinen Wettbewerbsrecht Pastor/Ahrens/Scharen, a.a.O., Kap. 18, Rdnr. 20), hier ist er aber anzunehmen. Die der W�rdigung zugrundeliegenden Tatsachen sind seit dem Schriftsatz der Kl�gerin vom 17. M�rz 2000 schon in erster Instanz unstreitig gewesen. Es handelt sich um eine Vielzahl gleichgelagerter Verst��e, bei denen immer wieder die aus den USA stammende Software "FTP-EXPLORER" von Internet-Nutzern wie der Kl�gerin auf ihrer Internet-Seite zur �bernahme angeboten wird. In der m�ndlichen Verhandlung war unwidersprochen von etwa 80 gleichgelagerten F�llen die Rede, deren Ermittlung mit Hilfe von Suchmaschinen zu Serienabmahnungen der Beklagten bzw. ihres Hausanwaltes gef�hrt habe. Da sich die Anbieter des Programms im Markenrecht regelm��ig nicht auskennen, geben sie - wie die Kl�gerin - nahezu alle auf Abmahnung sofort die geforderte Unterlassungserkl�rung ab. Einziger Streitpunkt ist regelm��ig nur die Kostennote des Proze�bevollm�chtigten der Beklagten.

Ein derartiges "Massengesch�ft" erfordert auch im Bereich des Markenrechts nicht die Einschaltung eines Rechtsanwalts. Eine schematische Zuerkennung von Aufwendungen f�r Rechtsanwaltskosten ist auch hier abzulehnen (vgl. Pastor/Ahrens/Scharen, a.a.O.; Baumach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG, Rdnr. 555). Vielmehr entf�llt ein Ersatzanspruch, weil die Beklagte aufgrund ihrer Erfahrung zu einer Abmahnung selbst im Stande war (K�hler/Piper, UWG, 2. Aufl., vor � 13, Rdnr. 194). F�r die Beklagte handelte es sich um eine allt�gliche Routineangelegenheit, bei der die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht geboten war (vgl. Teplitzky, a.a.O., Kap. 41, Rdnr. 82; auch Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., � 60, Rdnr. 33). Dabei mu� man besonders hier den Zweck der Abmahnung im Auge behalten, den oft rechtsunkundigen Verletzer �ber die Rechtslage zu belehren, mit seiner Unterlassungserkl�rung einen Rechtsstreit zu vermeiden und so die Belastung der Gerichte gering zu halten (vgl. Teplitzky, a.a.O.; Kap. 41, Rdnr. 3).

Die anwaltlichen Abmahnungen der Beklagten erreichen offensichtlich das Gegenteil. Zwar unterwerfen sich die Abgemahnten in aller Regel sofort, es kommt jedoch zu zahlreichen Prozessen �ber die Anwaltskosten, weil sie aus verst�ndlichen Gr�nden deren Notwendigkeit bezweifeln. Die Beklagte k�nnte sich, wie die Kl�gerin schon in erster Instanz vorgetragen hat, ohne weiteres einen Musterbrief f�r ihre Abmahnungen fertigen oder fertigen lassen. Auch ihr Anwalt verwendet unstreitig Abmahnschreiben mit Textbausteinen und legt die Vollmacht der Beklagten nur in Kopie vor. �bern�hme die Beklagte diese Serienabmahnungen selbst, dann w�rden als zu ersetzende Kosten regelm��ig nur die reinen Portokosten und Kosten f�r Papier etc. entstehen (vgl. Pastor/Ahrens/Scharen, a.a.O., Kap. 18, Rdnr. 18). Die Kosten k�nnten sogar, wie die Kl�gerin ebenfalls bereits in erster Instanz vorgetragen hat, mit Hilfe des Internet noch niedriger gehalten werden., was bei Markenverletzungen im Internet und hier besonders naheliegt. Da es sich bei der Beklagten um ein Software-Haus handelt, und die Verletzer s�mtlich �ber einen Internet-Anschlu� mit "E-Mail-Adresse" verf�gen, k�nnte die Abmahnung per "E-Mail" praktisch kostenlos erfolgen. Damit k�nnte die Beklagte ihre markenrechtliche Position eben so gut wahren, weil sich die Abgemahnten unstreitig in der Regel unterwerfen; in den �brigen F�llen k�nnte sie immer noch ihren Anwalt mit der Rechtsverfolgung beauftragen. Auf der anderen Seite w�rde das Interesse der Abgemahnten ber�cksichtigt, nicht trotz ihrer umgehenden Unterwerfung mit von der Beklagten leicht zu vermeidenden Kosten belastet zu werden. Die Beklagte hat sich gem�� � 670 BGB am Interesse der Abgemahnten und daran zu orientieren, ob und inwieweit die Aufwendungen f�r die Abmahnung angemessen sind und in einem vern�nftigen Verh�ltnis zur Bedeutung des Gesch�fts und zum angestrebten Erfolg stehen (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., � 670, Rdnr. 4). Die Beklagte h�tte ber�cksichtigen m�ssen, da� die Abmahnung aufgrund ihrer Erfahrung mit diesen Serienabmahnungen ein einfaches Gesch�ft war, das die Einschaltung ihres Rechtsanwalts nicht erforderte.

Ein Aufwendungsersatz der Rechtsanwaltskosten kann auch nicht damit begr�ndet werden, da� die Beklagte die �berwachung des Marktes und die Verfolgung von Verst��en ihrem Rechtsanwalt �bertragen hat. Diese Praxis wurde in der m�ndlichen Verhandlung von dem anwesenden "Hausanwalt" der Beklagten nicht bestritten, sondern verteidigt. Die Kosten solcher �berwachungs- und Vorbeugema�nahmen sind aber kein zu ersetzender Schaden (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., vor � 249, Rdnr. 44). Sie sind auch nicht als Kosten einer zweckm��igen Gesch�ftshaftung anzusehen. (Eine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung des Abmahnenden zum Abgemahnten kommt erst aufgrund einer tats�chlich begangenen Verletzungshandlung und der darauf erkl�rten Abmahnung zustande (vgl. BGH NJW 95, 715, 716 - Kosten unbegr�ndeter Abmahnung)).

Aufgrund des geschilderten Sachverhalts bestehen hier im Gegenteil deutliche Ber�hrungspunkte zum Gesichtspunkt des Rechtsmi�brauchs (vgl. � 13 Abs. 5 UWG und BGH NJW 2001, 371 - Vielfachabmahner), wobei die nachfolgenden Grunds�tze f�r das Lauterkeitsrecht entwickelt worden sind, aber auch gewisse Bedeutung f�r die Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte haben. Das gilt schon allgemein, denn wer unn�tige Anwaltskosten f�r Abmahnungen veranla�t, setzt sich dem Verdacht aus, da� er daraus eine selbst�ndige Einnahmequelle f�r sich selbst oder f�r einen nahestehenden, mit ihm zusammenwirkenden Anwalt machen will (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., � 13 UWG, Rdnr. 51; Pastor/Ahrens/Jestaedt, a.a.O., Kap. 25, Rdnr. 14). Umgekehrt kann selbstverst�ndlich kein Aufwendungsersatz verlangt werden, wo die Rechtsverfolgung mi�br�uchlich ist (Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdnr. 804).

Vor allem aber ist in der Regel von einem Rechtsmi�brauch auszugehen, wenn dem Anwalt die �berwachung des Marktes und die Verfolgung von Verst��en weitgehend ohne Kontrolle durch den Auftraggeber �berlassen bleibt, er also das Abmahngesch�ft "in eigener Regie" betreibt (vgl. Pastor/Ahrens/Jestaedt, a.a.O., Kap. 25, Rdnr. 14; Melullis, a.a.O., Rdnr. 396; K�hler/Piper, a.a.O., � 13, Rdnr. 61). Es wurde bereits ausgef�hrt, da� der in der m�ndlichen Verhandlung anwesende Hausanwalt der Beklagten seine derartige Praxis sogar verteidigt hat, obwohl das blo�e Bet�tigen der Suchmaschinen zwecks Aufsp�rung weiterer "FTP-Explorer"-F�lle genausogut oder besser der insoweit fachkundigen Beklagten selbst �berlassen werden k�nnte.

Im �brigen haben die Kl�gerin und ihre Streithelferin von Anfang an substantiiert und mit ungew�hnlicher Sch�rfe ger�gt, die Abmahnungen w�rden ohne jede R�cksprache mit der Partei allein auf Initiative des Proze�bevollm�chtigten der Beklagten durchgef�hrt und abgewickelt (erstinstanzliche Schrifts�tze vom 17. M�rz und 18. September 2000). Die Beklagte erteile auch nicht in jedem Einzelfall eine Vollmacht f�r die Abmahnung. Ihr Anwalt dagegen belaste sie auch nicht mit deren Kosten, wenn diese wider Erwarten uneinbringlich seien. Hier gehe es nicht um Markenschutz sondern vorrangig um das "Abkassieren", und es sei gegen die Beklagte und deren Proze�bevollm�chtigten bereits eine einstweilige Verf�gung auf Unterlassung von Abmahnungen ergangen.

Es f�llt auf, da� zu diesem Vortrag im umfangreichen Vorbringen der Beklagten erst mit Schriftsatz vom 13. Februar 2001, also kurz vor der Berufungsverhandlung, Stellung bezogen wurde, und zwar eher beil�ufig am Ende des Schriftsatzes (S. 13). Dort wird auch nur ausgef�hrt, auch die Beklagte (gemeint wohl: die Kl�gerin) kritisiere in ihrem Schriftsatz vom 17. M�rz 2000 die "ber�chtigte Abmahnpraxis der Beklagten", gehe also davon aus, da� es sich nicht um die Abmahnung des Verkehrsanwaltes der Beklagten handele. Daraus geht nicht die Absicht hervor, diese Abmahnpraxis bestreiten zu wollen (� 138 Abs. 3 ZPO), die in der m�ndlichen Verhandlung zudem ausdr�cklich verteidigt wurde. Wenn es in dem Vortrag der Beklagten weiter hei�t, der Verkehrsanwalt erhalte von ihr in jedem Einzelfall eine Vollmacht, und alle F�lle w�rden gegen�ber der Beklagten abgerechnet, dann schlie�t das nicht aus, da� bei Abmahnungen im Einzelfall noch keine Vollmacht vorliegt und die Beklagte bei Uneinbringlichkeit nicht mit den Kosten der Abmahnung belastet wird, wie die Kl�gerin behauptet hatte.

In solchen F�llen ist ein R�ckgriff auf 13 Abs. 5 UWG auch dann unentbehrlich, wenn ein Gewerbetreibender zwar entweder unmittelbar Verletzter oder aus 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG klagebefugt ist, aber Wettbewerbsverst��e in erster Linie aus Gewinninteresse (unter Umst�nden zugunsten eines ihm nahestehenden Anwalts) mittels Abmahnung und Klage verfolgt (K�hler/Piper, a.a.O.). Es ist nicht Sinn des Abs. 2 Nr. 1 UWG den Gewerbetreibenden die M�glichkeit zu geben, unabh�ngig von jedem vern�nftigen wirtschaftlichen Interesse ihres Unternehmens als selbsternannte Wettbewerbsh�ter Wettbewerbsverst��e jeglicher Art zu verfolgen. Die Mi�brauchsklausel des 13 Abs. 5 UWG hat die Funktion eines Korrektivs gegen�ber der weitgefa�ten Anspruchsberechtigung der Wettbewerber (BGH NJW 2001, 371, 372 - Vielfachabmahner). Abs. 5 UWG steht daf�r, da� eine T�tigkeit, die vorwiegend dazu dient, einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen entstehen zu lassen, nicht geduldet werden soll (Pastor/Ahrens/Scharen, a.a.O., Kap. 18, Rdnr. 13).

Danach bedarf keiner Entscheidung mehr, wie es sich auswirkt, da� nach der Rechtsprechung des Senats bei der Abmahnung die Vorlage einer Vollmachtsurkunde erforderlich ist (NJWE-Wettbewerbsrecht 99, 263).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den �� 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten: 1.633,80 DM.

Berneke Dr. Schmidt Sch�ttpelz