Oberlandesgericht Frankfurt Beschluss Hure
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Aktenzeichen: 16 W 36/12
Verkündet am:
12.09.2012

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Oberlandesgericht Frankfurt

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit

[…]
Antragsteller und Beschwedeführer
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt […]

gegen

[…]
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 3.Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.07.2012 (2-3O 276/12) wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 50.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist ehemaliges Vorstandsmitglied der A und Autor verschiedener Bücher. Zuletzt erschien von ihm das Buch „…“. Die Antragsgegnerin ist Herausgeberin der Tageszeitung „B“.

Am 17.06.2012 erschien in der C-Zeitung (C) ein Artikel des Antragstellers unter dem Titel „…“. Darin befasste er sich auch mit den Themen, die Gegenstand seiner letzten Buchveröffentlichung waren.

Am 18.06.2012 erschien in der B ein Artikel unter der Überschrift „D: …“.

Darin heißt es u. a. wörtlich:

„D wird inzwischen von Journalisten benutzt wie eine alte Hure, die zwar billig ist, aber für ihre Zwecke immer noch ganz brauchbar, wenn man sie auch etwas aufhübschen muss… fragt sich nur, wer da Hure und wer Drübersteiger ist?“. Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf Blatt 18 der Akten Bezug genommen.

Mit Schreiben des Antragstellervertreters vom 22.06.2012 wurde die Antragsgegnerin aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, was diese nicht getan hat.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um eine unzulässige Schmähkritik handele.

Er hat deshalb beantragt,

der Antragsgegnerin bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführer, zu untersagen, in Bezug auf den Antragsteller zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen: „D wird inzwischen von Journalisten benutzt wie eine alte Hure, die zwar billig ist, aber für ihre Zwecke immer noch ganz brauchbar, wenn man sie auch etwas aufhübschen muss… fragt sich nur, wer da Hure und wer Drübersteiger ist?“ wenn dies geschieht wie auf Seite 16 der Ausgabe der „B“ vom 18. Juni 2012.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24. Juli 2012 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, durch die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit seien auch Meinungen geschützt, die abwertend, scharf, hart und überspitzt seien. Eine Schmähkritik liege nicht vor. Die Bezeichnung „Hure“ bzw. „Drübersteiger“ werde nicht als Schimpfwort für den Antragsteller, sondern zur Darstellung eines Vergleichs benutzt. Allein die Benutzung eines Wortes, das auch als Schimpfwort benutzt werden kann, führe nicht zwangsläufig zu der Annahme, dass es dem Äußernden allein um die Herabsetzung einer anderen Person gehe. Es könnte trotz Verwendung eines solchen Wortes noch eine zusätzliche Auseinandersetzung in der Sache vorliegen. In dem Artikel soll das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und Journalisten mit dem Verhältnis einer Prostituierten zu ihrem Freier verglichen werden. Es würden auch konkrete Tatsachen genannt, wie der Autor zu diesem Vergleich komme. Die Wortwahl „billige, alte Hure“ und „Drübersteiger“ sei zwar durchaus hart und drastisch aber dennoch rechtmäßig. Die Grenze zulässiger Kritik sei bei Politikern weiter zu ziehen als bei Privatpersonen. Der Antragsteller habe in dem Artikel Worte gewählt, die eine kritische Auseinandersetzung herausfordern würden.

Gegen diesen ihm am 27. Juli 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 30. Juli 2012 eingegangen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung seines Rechtsmittels hat er ausgeführt, das Landgericht habe den Antragsteller zu Unrecht als Politiker eingeordnet, der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gegenüber der Öffentlichkeit am wenigsten geschützt sei. Der Artikel in der C biete keinen Anlass, den Antragsteller mit einer Hure zu vergleichen. Soweit dem Antragsteller Feindseligkeiten gegenüber Südländern als Menschen untergeschoben werden sollten, sei dies nicht nachvollziehbar. Die Ansammlung von Schmähungen wie billige, alte, für ihre Zwecke noch ganz brauchbare Hure, die man aufhübschen müsse und über die man „drübersteigen“ könne, verletze den Antragsteller in seiner Menschenwürde. Der Begriff „Hure“ werde gerade dann als Schimpfwort gebraucht, wenn er in vergleichender Weise verwendet werde. Aus Sicht der Bevölkerung spiele es keine Rolle, ob es heißt: „Du bist eine Hure“ oder „Du bist wie eine Hure“. Zu dem eigentlich Beitrag nehme die Antragsgegnerin in dem Artikel gar nicht Stellung, sondern ergieße sich in Beleidigungen des Antragstellers. Ein Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung sei dies nicht.

Der Antragsteller verfolgt deshalb seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das Wort „Hure“ sei keine abwertende Bezeichnung. Vielmehr würden sich Prostituierte selbst oft als Huren bezeichnen und dies auch als Berufsbezeichnung angeben. Der Beruf sei auch inzwischen legalisiert. Die Ausgangsmitteilung sei nicht, dass der Antragsteller eine Hure sei, sondern dass er benutzt werde wie eine alte Hure, billig, aber für Zwecke der Journalistenkollegen des Autors, die ihn nutzen, noch brauchbar. Auch werde gesagt, für welche Zwecke der Antragsteller benutzt werde. Der Meinungskern des Artikels des Antragstellers in der C werde herausgehoben.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 935 ff. ZPO zurückgewiesen, da es für das Unterlassungsbegehren an einem Verfügungsanspruch fehlt.

Zutreffend gehen das Landgericht und auch die Parteien davon aus, dass die streitgegenständlichen Äußerung eine Meinungsäußerung darstellt, da der vorgenommene Vergleich stark von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt ist.

Die Parteien streiten deshalb lediglich über die Frage, ob die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist.

Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfGE 82, 272, 284; NJW 2012, 1643 f). Bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage liegt sie nur ausnahmsweise vor und ist eher auf den Privatbereich beschränkt (BVerfGE 93, 266, 294; NJW 2012, 1643 f). Nur wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, ist eine Schmähkritik anzunehmen. Die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik ist nicht überschritten, wenn die Meinungsäußerung einen hinreichenden Bezug zu dem sachlichen Anliegen aufweist, um das es dem Äußernden geht (BVerfG NJW 1991, 1475, 1477).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist – entgegen der Auffassung des Antragstellers – die Grenze zur Schmähkritik noch nicht überschritten. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Antragsteller in der streitgegenständlichen Veröffentlichung nicht als billige alte Hure bezeichnet wird, die man aufhübschen müsse. Vielmehr enthält die Veröffentlichung einen Vergleich. Verglichen werden der Antragsteller und sein Verhältnis zur Presse und umgekehrt. Die Antragsgegnerin äußert die Ansicht, dass Antragsteller und Journalisten sich gegenseitig benutzen wie ein Freier eine Prostituierte benutzt, wobei jeweils offen bleibt, wer in diesem Vergleich der Freier und wer die Prostituierte ist. Dass die Antragsgegnerin auch überspitzte Formulierungen verwendet, ist unschädlich, da auch polemische oder überspitzte Kritik von den Grundrechten auf Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist.

Die streitgegenständliche Äußerung hat auch durchaus einen sachlichen Bezug, denn der Verfasser des Artikels knüpft an an die Veröffentlichung eines Artikels des Antragstellers in der C, der nach Meinung des Verfassers der streitgegenständlichen Veröffentlichung diese gegenseitige Benutzung von Antragsteller und Journalisten für jeweils eigene Zwecke belegen soll. Ob diese Schlussfolgerung richtig, die Meinung also überzeugend ist oder nicht, spielt keine Rolle.

Da der Antragsteller eine Person des öffentlichen Lebens ist, die nicht nur früher als E und Mitglied des Vorstands der A in herausgehobener Stellung tätig war, sondern darüber hinaus noch mit Buchveröffentlichungen von sich reden gemacht hat, ist er nicht als reine Privatperson betroffen, sodass die Grenze zur Schmähkritik ohnehin weiter hinausgeschoben ist. Personen des öffentlichen Lebens müssen sich insoweit weitergehende Einschränkungen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gefallen lassen als Privatleute. Da der Antragsteller sich selbst der Presse bedient zur Veröffentlichung seiner Ideen und Meinungen, muss er sich auch gefallen lassen, wenn sein Verhältnis zur Presse kritisch, polemisch, überspitzt und unsachlich betrachtet wird.

Da die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten ist, weil nicht die Diffamierung des Antragstellers im Vordergrund steht, sondern sein Verhältnis zu Journalisten, ergibt auch eine Abwägung der Äußerung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers kein Überwiegen dieses Rechts gegenüber den Grundrechten der Meinungs- und Pressefreiheit der Antragsgegnerin.

Da das Rechtsmittel des Antragstellers erfolglos war, hat er gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO und orientiert sich an den Angaben des Antragstellers in der Antragsschrift.

Unterschriften