BGH, kein Anspruch von Rechtsanwalt auf Übermittlung anwaltsgerichtlicher Entscheidung
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Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 44/15
Entscheidung vom: 22. September 2015
vorhergehend: Antaltsgerichtshof Stuttgart
Urteil vom 22.05.2015, Az: AGH 16/14 (I), AGH 16/2014 (I)
Bundesgerichtshof in Anwaltssachen

Beschluss
Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 5. Juni 2015 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, erhob am 25. April 2012 gegen Rechtsanwalt R.   F.    aus K.      bei der Beklagten Beschwerde. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28. März 2014 mit, dass nach bestandskräftigem Abschluss des berufsrechtlichen Aufsichtsverfahrens das Anwaltsgericht den vom Kläger angezeigten Vorgang nicht als ein zu ahndendes berufsrechtswidriges Verhalten bewertet habe mit dem Hinweis, dass der vorliegende Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz nicht geeignet sei, über seine Auswirkungen im Einzelfall hinaus das Vertrauen in die Kompetenz und Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege zu stören, so dass § 43 BRAO als Grundlage einer berufsrechtlichen Aufsichtsmaßnahme ausscheide.

Den Antrag des Klägers auf Überlassung des anwaltsgerichtlichen Beschlusses wies die Beklagte mit Bescheid vom 17. Juli 2014 zurück. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2014 zurück. Die gegen den Bescheid vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2014 auf Verpflichtung der Beklagten zur Überlassung des anwaltsgerichtlichen Beschlusses gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

1. Nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO müssen im Zulassungsantrag die Gründe dargelegt werden, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Hierfür gelten im Grundsatz dieselben Anforderungen, wie sie die Rechtsprechung zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO) entwickelt hat. Daher müssen die aus Sicht des Antragstellers in Betracht kommenden Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO benannt und hinreichend erläutert, d.h. die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes substantiiert dargelegt werden (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 4/12, AnwBl. 2012, 553 Rn. 2 und vom 23. Februar 2011 - AnwZ (Brfg) 4/10, juris Rn. 4, jeweils m.w.N.).

Nach Maßgabe dieser an die Begründung des Zulassungsantrags zu stellenden Anforderungen bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit des klägerischen Antrags. Dort wird weder ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich benannt noch näher zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm Stellung genommen.

2. Unabhängig hiervon hat der Zulassungsantrag auch in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.

Der Kläger hat, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend erkannt hat, keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Überlassung des in dem berufsrechtlichen Aufsichtsverfahren betreffend Rechtsanwalt F.      ergangenen anwaltsgerichtlichen Beschlusses. Dieser Beschluss ist - entgegen der Auffassung des Klägers - Bestandteil der von der Beklagten über Rechtsanwalt F.      geführten Personalakte und unterliegt der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO.

a) Der Begriff der Personalakte in § 58 BRAO ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur materiell zu verstehen. Für die Frage, ob ein Vorgang zu den Personalakten gehört, kommt es nicht darauf an, wo und wie er geführt oder aufbewahrt wird (formelles Prinzip), sondern allein darauf, ob er den Rechtsanwalt in einem inneren Zusammenhang mit seinem Status als Rechtsanwalt betrifft (Senat, Beschlüsse vom 25. November 2013 - AnwZ (Brfg) 39/12, NJW-RR 2014, 883 Rn. 5 m.w.N. und vom 2. März 2011 - AnwZ (B) 50/10, NJW 2011, 2303 Rn. 11 m.w.N.; Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 58 Rn. 6 f. m.w.N.; Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, 2. Aufl., § 58 Rn. 5). Bestandteile der Personalakte sind somit - wie vorliegend - auch Vorgänge und Unterlagen aus einem gegen den Rechtsanwalt eingeleiteten Aufsichts- oder Beschwerdeverfahren und ihn betreffende Gerichtsentscheidungen (Weyland in Feuerich/Weyland aaO § 73 Rn. 66; Güldenzoph, BRAK-Mitt. 2011, 4, 5; Zuck aaO Rn. 13).

b) Der anwaltsgerichtliche Beschluss unterlag als Bestandteil der bei der Beklagten über Rechtsanwalt F.      geführten Personalakte der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO. Nach § 76 Abs. 1 BRAO haben die Mitglieder des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Vorstand über Rechtsanwälte, Bewerber und andere Personen bekannt werden, Verschwiegenheit gegen jedermann zu bewahren. Zu den der Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Angelegenheiten gehören der Inhalt der von einer Rechtsanwaltskammer über ein Kammermitglied geführten Personalakte (Zuck aaO Rn. 15) und mithin auch Vorgänge und Entscheidungen in einem Aufsichts- und Beschwerdeverfahren. Letzteres ergibt sich zudem unmittelbar aus § 73 Abs. 3 Satz 3 BRAO. Danach bleibt, soweit der Kammervorstand gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1, 2 BRAO im Beschwerdeverfahren den Beschwerdeführer von seiner Entscheidung in Kenntnis setzt, § 76 BRAO unberührt. Durch die Verweisung auf § 76 BRAO wird klargestellt, dass bei der Mitteilung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 BRAO das Verschwiegenheitsgebot nach § 76 BRAO zu achten ist (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und kostenrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 16/11385, S. 39).

c) Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht sind vorliegend nicht gegeben.

aa) Eine solche Ausnahme ergibt sich nicht aus Verfahrensrechten des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren nach § 73 Abs. 2 Nr. 4, §§ 74, 74a BRAO. Der Beschwerdeführer ist im berufsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht Beteiligter und besitzt nach der gesetzlichen Konzeption - mit Ausnahme der in § 73 Abs. 3 BRAO bestimmten Mitteilungspflicht - keine Verfahrensrechte (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 1997 - AnwZ (B) 47/97, BRAK-Mitt. 1998, 41, 42; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, 2. Aufl., § 74 Rn. 33 sowie § 76 Rn. 20; Güldenzoph aaO S. 6). Er hat daher in diesem Verfahren - entgegen der Auffassung des Klägers - auch keinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der dem Kläger als Beschwerdeführer gegenüber bestehenden Mitteilungspflicht nach § 73 Abs. 3 BRAO hat die Beklagte - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - mit dem Schreiben vom 28. März 2014 genügt. Die Mitteilungspflicht umfasst nicht die Überlassung von anwaltsgerichtlichen Beschlüssen, die in einem auf die Beschwerde des Klägers hin eingeleiteten berufsrechtlichen Aufsichts- und Beschwerdeverfahren ergangen sind.

bb) Die Überlassung solcher Beschlüsse ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Rechts des Klägers auf Einsicht in die Personalakte gerechtfertigt, die über den Rechtsanwalt, über den er Beschwerde geführt hat, von der Rechtsanwaltskammer geführt wird. Da die Personalakte der Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO unterliegt, kommt ein Einsichtsrecht Dritter nur in Betracht, wenn dafür eine Ermächtigungsgrundlage besteht oder der Rechtsanwalt einverstanden ist (Böhnlein aaO § 58 Rn. 17; Zuck aaO § 58 Rn. 15; Hartung-Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 5. Aufl., § 58 BRAO Rn. 23). Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage besteht in Fällen der vorliegenden Art - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - nicht (vgl. eingehend zum Akteneinsichtsrecht für den Beschwerdeführer in berufsaufsichtsrechtlichen Beschwerdeverfahren: Güldenzoph, BRAK-Mitt. 2011, 4 ff.).

Auch soweit der Kläger sein Begehren auf eine teilweise geschwärzte Ablichtung des anwaltsgerichtlichen Beschlusses beschränkt, besteht ein entsprechender Anspruch nicht. Die Überlassung einer teilweise geschwärzten Ablichtung stellt ebenfalls eine - teilweise - Gewährung von Einsicht in die Personalakte des von dem Aufsichts- und Beschwerdeverfahren betroffenen Rechtsanwalts dar. Auch ihr steht die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO entgegen. Eine Schwärzung aller Textstellen eines anwaltsgerichtlichen Beschlusses, die die "persönlichen Belange” des Rechtsanwalts betreffen, gegen den das Aufsichts- und Beschwerdeverfahren gerichtet ist, erscheint nicht möglich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                        Lohmann                    Remmert

                 Martini                            Kau