Neue Domainrichtlinien für Domains unter der Top-Level-Domain .de ab dem 23. Oktober 2009

Revolution bei der Vergabe von Second-Level-Domains:

DENIC lässt ein- und zweistellige Domains sowie reine Zifferndomains zu 

Am 23. Oktober 2009 um 9 Uhr MESZ beginnt ein neues Zeitalter der .de-Domain-Vergabepraxis der DENIC eG (Domain Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft), der zentralen Registrierungsstelle für die Top-Level-Domain .de: erstmals wird es möglich sein, unter .de ein- und zweistellige Domains sowie reine Zifferndomains zu registrieren. Seit Inkrafttreten der DENIC-Richtlinie von 1997 waren diese aufgrund ihrer Kürze begehrten Adressen mit Ausnahme weniger Altbestände wie db.de gesperrt und somit der allgemeinen Registrierung entzogen. 


Folgende Änderungen treten in Kraft

Mit Inkrafttreten de neuen Domainrichtlinie am 23.10.2009 gelten für die Registrierung von Second-Level-Domains folgende Regelungen:
Restriktionen bei der Vergabe von .de-Domains gibt es damit kaum noch. Zu beachten sind jedoch die folgenden Einschränkungen:

Domainregistrierung nach neuen Bedingungen ab dem 23. Oktober 2009 bei DENIC-Mitgliedern

Die erstmalige Registrierung der Domains nach der neuen Registrierungsrichtlinie wird am 23.10.2009 um 9 Uhr MESZ möglich. Der Domainwunsch muss bei Internetdienstleistern, die Mitglied der DENIC sind, wie beispielsweise united-domains AG, domainfactory GmbH oder STRATO AG, angemeldet werden. Diese leiten den Auftrag ab Beginn der Registrierungsphase an die DENIC weiter. Jedes DENIC-Mitglied darf pro Minute nur vier Vorregistrierungen vornehmen. Das bedeutet, die insgesamt über 270 Mitglieder werden bereits 60 Sekunden nach dem Start zusammen über 1.000 Domainregistrierungen versucht haben. Aus diesem Grund hat der erste Internetdienstleister, die domainfactory GmbH, bereits reagiert und Grenzen für die Vorregistrierungen gesetzt: Es wurde eine Startplatzauktion mit umfassenden Restriktionen eingeführt. Jede natürliche oder juristische Person darf beispielsweise höchstens bis zu fünf Voranmeldungen für eine der neuen, frei werdenden .de-Domains vornehmen. Hinzu kommt eine erfolgsunabhängige Gebühr für die Voranmeldung in Höhe von EUR 25,00.

Der Übergang in den normalen Regelbetrieb ist für den 26. Oktober 2009 geplant. Ab diesem Zeitpunkt werden die Internetdienstleister die Registrierung der neuen Domains voraussichtlich regulär wie im bisherigen Verfahren anbieten.

Attraktive neue Domains werden den Domainhandel beleben

Zahlreiche ab dem 23. Oktober neu registrierte Domains werden mit Sicherheit den Domainhandel beleben und etwa über die Plattform ebay oder den Domainauktionator Sedo angeboten werden. Mit Spannung darf erwartet werden, wer denn der glückliche Besitzer der Domain 1.de sein wird oder wer sich mit den neun verbleibenden einstelligen Zifferndomains unter der Top-Level-Domain .de schmücken kann. Auch einstellige Buchstaben-Domains dürften nach der Erstregistrierung für vierstellige Euro-Beträge die Besitzer wechseln. Nicht zu vergessen attraktive Jahreszahlen der kommenden Fussballweltmeisterschaften oder Daten bekannter geschichtlicher Ereignisse, wie Zahlenfolgen 1945, 1999 oder 911. Spannend wird es, wenn sich die Porsche AG um letztgenannte Domain bemühen wird, wobei diese dabei Fingerspitzengefühl benötigt, denn auch wenn der Porsche 911 als Marke Weltruhm geniesst, dürfte eine beschreibende Nutzung der Domain 911.de bezüglich des 11. September 2001 durchaus zulässig sein und nicht mit den Rechten der Porsche AG kollidieren. Schliesslich gilt das zunächst nur in den USA verwendete Kürzel „9/11“ oder "911" für die Anschläge vom 11. September 2001 u.a. auf das World-Trade-Center auch hier zu Lande als Synonym für die terroristischen Attacken jener Zeit.

Ähnlich schwierig dürfte das denkbare Begehren des Turn- und Sportverein München von 1860 e.V. und der aus dem Gesamtverein ausgegliederten TSV München von 1860 GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien im Hinblick auf die Domain 1860.de durchzusetzen sein, wenn der glückliche Domaininhaber unter seiner Domain allgemein beschreibende Inhalte zum Jahr 1860 anbietet. Denn so sicher wie für manchen Fussball-Fan 1860 ein und alles ist, so sicher wurde im selben Jahr der Bonner Turnverein 1860 e.V. gegründet, der erste brauchbare Gasmotor von Étienne Lenoir vorgeführt, der Abdruck einer einzelnen Feder des Archaeopteryx entdeckt und das französische Volks- und Kinderlied "Au Clair de la Lune" als die älteste Tonbandaufnahme der Welt auf einem Phonautographen aufgenommen. Ob der TSV 1860 München, Schalke 04 oder Hannover 96 tatsächlich ein Interesse an den Domains 1860.de und 04.de oder 96.de haben, steht ohnehin auf einem anderen Blatt.
    

Kein Vorrang für Kennzeicheninhaber aus Markenrecht oder Namensrecht

Während es sonst üblich ist, bei der Neueinführung von Top-Level-Domains oder Second-Level-Domains eine sogenannte „Sunrise Period“ vorzuschalten, in der Inhaber von Kennzeichenrechten ihre Begriffe bevorrechtigt anmelden dürfen, hat sich die DENIC gegen ein solches Verfahren entschieden. Statt dessen gilt der Prioritätsgrundsatz "first come, first served": Der erste eingegangene Auftrag für eine Domain erhält die Registrierung. Dadurch soll ein Höchstmaß an Chancengleichheit gewährleisten werden, wie DENIC-Vorstand Sabine Dolderer (CEO) diese Entscheidung begründet hat. Gewährleistet werden soll dieses Prioritätsprinzip durch den Einsatz von eMail-Registrierungs-Schnittstellen. Jede eMail erhält einen elektronischen Zeitstempel, der im Millisekundenbereich arbeitet. Dieser gilt als Nachweis über die Reihenfolge der Eingänge.

Dennoch gilt es, Vorsicht bei der Registrierung kennzeichengeschützter Domains walten zu lassen, da sonst eine Abmahnung durch Kennzeicheninhaber droht. Gerade die jahrelangen Rechtsstreitigkeiten um Domainnamen wie vw.de (dazu unten mehr) oder 11880.de zeigen das enorme Interesse entsprechend großer und bekannter Unternehmen, eine Internetadresse unter der Zeichenfolge zu registrieren, unter der sie im Markt bekannt sind und für die in vielen Fällen auch eine Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt registriert ist. Insbesondere der missbräuchliche Gebrauch von Domainregistrierungen wie die Reservierung von Domains, welche einem Unternehmen mit einer eingetragenen oder genutzten Marke zustehen ("Domain-Grabbing"), wird von der Rechtssprechung zum Teil als absichtsvolle Schädigung des "Domain-Grabbers" angesehen, welche neben der Unterlassung zur Herausgabe der Domain zur Erbringen von Schadensersatz, beispielsweise von Kosten für eine Abmahnung, verpflichtet.

Markenanmeldungen zur Vorbereitung eines erfolgreichen Reverse Domain Hijacking

Im Zuge der Neuregistrierung mit Inkrafttreten de neuen Domain-Richtlinie am 23.10.2009 dürfte es auch zu vermehrten Markenanmeldungen beim DPMA gekommen sein, um sich nach dem Wettlauf um die begehrtesten neuen Domains vergleichsweise in Ruhe die Domains seiner Wahl sichern zu können. Als Reverse Domain Hijacking bezeichnet man im allgemeinen die Taktik, dem Domaininhaber eine Domain durch die Sicherung eines formalen Kennzeichnrechts am gleichlautenden Domain-Namen abzunehmen. Da im Zuge des Wettlaufs um die Neuregistrierungen der neuen Domains unter der Top-Level-Domain .de nur einige Wenige zum Zuge kommen werden, verspricht die Taktik, sich noch vor dem 23.10.2009 eine der Wunsch-Domain entsprechende Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt DPMA eingragen zu lassen, eine gewisse Aussicht auf Erfolg; allerdings nur bei kennzeichnungskräftigen Domains. Insoweit würde wohl die Eintragung der Marke "B1" erfolgversprechend sein, um die Domain "b1.de" fordern zu können, nicht aber die Eintragung der Marke "it" zur Erlangung der Domain "it.de". Denn "IT" ist als Abkürzung für "Informationstechnologie" durchaus gebräuchlich und damit ein Gattungsbegriff, an dem nicht Einzelnen ein ausschliessliches Recht zusteht. Nur wenn das Kennzeichenrecht  - etwa durch Eintragung einer Marke - vor der ersten Registrierung einer Domain schon bestand, verspricht diese Taktik auch Aussicht auf Erfolg. Insoweit scheint die Registrierung völlig neuer Domains ab dem 23.10.2009 eine einmalige Gelegenheit für Domainjäger zu sein.  

Wurde die Domain dann zu Gunsten eines (noch) glücklichen Dritten registriert, könnte sich dieser unmittelbar im Anschluß daran mit der Forderung des pfiffigen Markeninhabers konfrontiert sehen, seine Domain umgehend zu löschen. Da das deutsche Recht aber lediglich einen Löschungsanspruch und keinen Übertragungsanspruch kennt, nützt die Durchsetzung des Löschungsanspruchs dem Markeninhaber vergleichsweise wenig, weil die begehrte Domain nach der Löschung sofort wieder frei registrierbar wäre. Lediglich durch die Eintragung eines sogenannten Dispute-Eintrags bei der DENIC kann sichergestellt werden, dass die Domain nach der Löschung direkt an den vermeintlichen Berechtigten - regelmäßig den Kennzeicheninhaber - fällt. Dazu bedarf es allerdings eines unterschriebenen Antrags bei der DENIC; und auch hier gilt die Reihenfolge des Eingangs eines Dispute-Eintrags. Wer sich also zur Erlangung einer Wunschdomain rechtzeitig eine Marke hat eintragen lassen, muss nach anderweitiger Registrierung "seiner" Domain jedenfalls umgehend einen Dispute-Antrag bei der DENIC stellen, um im Falle der Löschung die Domain auch zu bekommen. Sollte nämlich der Löschungsanspruch erfolgreich durchgesetzt werden, wäre keinesfalls sicher, dass der Anspruchsteller auch in den Besitz der zu löschenden Domain kommt. Hätte ein anderer Kennzeicheninhaber vorrangig einen Dispute-Eintrag geschaltet, würde dieser dann in den Besitz der Domain gelangen. Insoweit dürften noch am 22.10.2009 zahlreiche vorsorglich gestellte Dispute-Anträge im Original per Post auf die Reise zur DENIC gehen, um am 23.10.2009 mutmaßlich pünktlich nach anderweitiger Registrierung der Wunschdomain vorrangig zu sein. Vorausgesetzt die Post ist pünktlich und wird nicht vor 09:11 Uhr ausgeliefert. Noch sicherer dürfe daher die Variante sein, mit ausgefülltem Antrag pünktlich um kurz nach 09:00 Uhr bei der DENIC in Frankfurt seinen Dispute-Antrag als Markeninhaber einzureichen, denn nur Originalanträge werden von der DENIC akzeptiert. Ein Antrag per Fax - auch nicht im Vorraus mit nachfolgendem Original - wird von der DENIC jedenfalls nicht rangsichernd akzeptiert.


Hintergrund zur Änderung der Vergabepraxis der DENIC

Grund für die Änderung der Vergabepraxis der DENIC ist ein Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 29.04.2008 (Az.: 11 U 32/04 (Kart)), in welchem die DENIC dazu verpflichtet wurde, die Domain vw.de zuzulassen, solange keine Top-Level-Domain .vw existiert. Mit dem bisher unveröffentlichten Beschluss vom 29.09.2009 hat der Bundesgerichtshof nun die gegen die in diesem Urteil ausgesprochene Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde zurückgewiesen, so dass das Urteil des OLG Frankfurt rechtskräftig geworden ist.

Geklagt hatte die Volkswagen AG gegen die DENIC eG auf Verpflichtung der DENIC zur Registrierung der Second-Level-Domain vw unter der Top-Level-Domain .de. Die Volkswagen AG trug vor, die Registrierung der Domain vw.de sei für sie im Wettbewerb mit anderen Automobilherstellern von überragend wichtiger Bedeutung. Der typische Internetnutzer suche gerade nach dieser Domain, werde aber in seiner Erwartung enttäuscht. Hierdurch erleide sie gegenüber ihren Konkurrenten, die sich im Internet unter dem Kürzel präsentieren können, unter dem sie im Markt bekannt sind, empfindliche Wettbewerbsnachteile. Anerkennenswerte Interessen der Beklagten, die Eintragung zu verweigern, seien nicht ersichtlich. Die DENIC hatte sich insbesondere damit verteidigt, dass die Volkswagen AG sehr wohl im Internet in konkurrenzfähiger Weise repräsentiert sei, da sie bei zahlreichen anderen Domain-Vergabestellen sowie bei der DENIC selbst über eine Vielzahl an registrierten Domains verfüge. Des Weiteren würden bei ein- und zweistellige Domains technische Probleme auftreten, weshalb rund 80% aller weltweit vorhandenen Registrierungsstellen zweistellige Domains nicht zuließen.

Während die Klage in erster Instanz beim Landgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 07.04.2004, Az.: 2/6 O 450/03) abgewiesen worden war, gab das Oberlandesgericht der Berufung statt. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts erleide die Volkswagen AG einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz, wenn ihr der Domain-Name vw.de nicht zur Verfügung gestellt werde (§§ 20 Abs. 1, 33 Abs. 1 und 3 GWB). Aufgabe der DENIC sei es, den üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr über die von ihr verwalteten Domain-Endung .de allen zu öffnen. Dabei komme es nicht auf die Länge des Domain-Namens an, sondern darauf, dass die Zuteilung von Domains überhaupt erfolge. Indem sie der Volkswagen AG die Domain vw.de verweigere, liege eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu solchen Automobilunternehmen vor, deren Marke als Second-Level-Domain unter .de eingetragen wurde. Diese Ungleichbehandlung stelle sich im Rahmen einer umfassenden und einzelfallbezogenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB als sachlich nicht gerechtfertigt dar. Es sei davon auszugehen, dass Internetnutzer das Angebot der Volkswagen AG eher unter der kurzen, prägnanten und berühmten Kennzeichnung „VW“ und der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain .de suchen würde. Zwar sei der Nachteil, den die Volkswagen AG dadurch erleide, dass sie derzeit unter dieser Domain nicht zu finden ist, nicht konkret zu ermessen. Das Interesse der Beklagten an der Ablehnung der Registrierung zweistelliger Domains müsse demgegenüber dennoch zurücktreten. Grundsätzlich waren sich zwar alle Prozessbeteiligten darin einig, dass tatsächlich eine gewisse technische Gefahr bei der Registrierung zweistelliger Domains besteht. Diese bestehe jedoch in Bezug auf die Domain vw.de nicht, solange eine entsprechende Top Level Domain nicht existiere. Die Befürchtungen der DENIC, in Folge des Urteils könnten Unternehmen aller Branchen sie hinsichtlich zweistelliger .de-Domains in Anspruch nehmen, genügte dem Oberlandesgericht nicht, um eine sachliche Ungleichbehandlung der Volkswagen AG gegenüber anderen Unternehmen zu rechtfertigen. Der DENIC billigte das Gericht zu, nur solche Second-Level-Domains vergeben zu müssen, die eine Störung vollkommen ausschließen.

Die Revision war vom Oberlandesgericht nicht zugelassen worden, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Die Entscheidung beruhe auf den gleichen Rechtsgrundsätzen wie das Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 13.02.2007 (Az.: 11 U 24/06 (Kart)), für welches die Voraussetzungen einer Revisionszulassung gemäß Beschluss des BGH vom 04.03.2008 (Az.: KZR 18/07) nicht vorgelegen hätten. Sie komme lediglich aufgrund der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu einem anderen Ergebnis. Eine entsprechende Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH nun unter dem Datum vom 29.09.2009 zurückgewiesen.


Ralf Möbius LL.M.
Rechtsinformatik
Rechtsanwalt
Fachanwalt für
IT-Recht ( Infomationstechnologierecht )

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