Rechtsanwalt Ralf Möbius

Wiederholungsgefahr

Unter Wiederholungsgefahr ist im Rahmen einer Abmahnung die Gefahr der erneuten Verletzung der einem anderen zustehenden Rechte zu verstehen.

Wiederholungsgefahr liegt immer dann vor, wenn eine Wiederholung des rechtswidrigen Verhaltens nicht nur theoretisch möglich oder denkbar ist, sondern auch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit erwartet werden kann und greifbar erscheint.

Sofern bereits ein rechtswidriger Eingriff in das Recht des Betroffenen erfolgt ist, besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr hinsichtlich der konkreten Verletzungshandlung. Eine solche Vermutung existiert dabei sowohl im Rahmen des gewerblichen Rechtsschutzes, als auch bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten oder des Urheberrechts.

So hat das Landgericht Hamburg in diesem Zusammenhang entschieden, daß - auch außerhalb des Wettbewerbsrechts - bei bereits stattgefundenem Eingriff für gleichartige Verletzungshandlungen eine Vermutung der Wiederholungsgefahr besteht. Im dort zugrundeliegenden Fall im Streit um eine einstweilige Verfügung wurde dies im Rahmen unverlangter E-Mail-Werbung bereits für die einmalige Zusendung einer E-Mail bejaht. (LG Hamburg, Beschluss vom 10.2.2006, Az. 309 T 152/05).

Im speziellen Fall der Zusendung von e-mails hat dabei das Oberlandesgericht Hamm im Urteil vom 16.10.2007, Az.4 U 91/07, sich dahingehend geäußert, dass das charakteristische Element, auf das das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr gestützt sei, nicht im Inhalt dieser Mails liege, sondern vielmehr unabhängig von der inhaltlichen Form in der Belästigung durch die ungerechtfertigte E-Mail-Versendung an sich bestehe.

Die grundsätzliche Vermutung der Wiederholungsgefahr kann jedoch widerlegt werden, wobei an die Vermutungswiderlegung hohe Anforderungen zu stellen sind.

Nur für den Fall, dass das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr bejaht werden kann, sind die Voraussetzungen erfüllt, um ein gerichtliches Verfahren gegen den Rechtsverletzer einleiten zu können. Der dann geltend gemachte Unterlassungsanspruch erlischt erst mit Wegfall der Wiederholungsgefahr, sofern er nicht bereits vorher beispielsweise nach Ablauf der 6-monatigen Verjährungsfrist ab Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis gem. §§ 8, 11 Abs. 1 UWG verjährt ist.

Dabei ist davon auszugehen, daß die Wiederholungsgefahr bis zur Abgabe einer in angemessener Höhe strafbewehrten Unterlassungserklärung gegeben ist und somit erst ab diesem Zeitpunkt entfällt. Dies gilt zumindest für den wettbewerbsrechtlichen Bereich sowie hinsichtlich des deliktischen Unterlassungsanspruchs, sofern der Verletzer aus wirtschaftlichen Motiven heraus tätig wird. Andernfalls sind diese von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze zumindest in abgeschwächter Form zu übernehmen. Die tatsächliche Vermutung hinsichtlich der Wiederholungsgefahr wird daher regelmäßig erst durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt.

Die Abgabe einer nur unzureichenden Unterlassungserklärung oder gar lediglich die Einstellung der durch die Abmahnung gerügten Handlung schließt die Wiederholungsgefahr dagegen nicht aus. In Bezug auf die Zusendung unverlangter E-Mail-Werbung ist z.B. die Mitteilung über die erfolgte Löschung aus dem Adressverzeichnis als nicht ausreichend angesehen worden (LG Hamburg, Az.: 309 T 152/05). Allerdings lässt eine vom Schuldner abgegebene einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung, wenn sie ernsthaft ist und auch inhaltlich den Anforderungen an eine solche Erklärung genügt, die Wiederholungsgefahr unabhängig von einer Annahmeerklärung des Gläubigers und daher eventuell auch schon vor einer Annahme entfallen, vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2013, Az.: I ZR 77/12. Ansprüche aus einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf Zahlung einer Vertragsstrafe kann der Gläubiger dagegen erst ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses des Unterlassungsvertrags für begangene Verstöße geltend machen, vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2009, Az. I ZR 217/07.

Auch genügt die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Wird etwa in diesem Zusammenhang die Aufgabe des Geschäftsbetriebes für den Ausschluß jeglicher Wiederholungsgefahr angeführt, so kann dies in der Regel eine zukünftige Gefahr zur Wiederholung der Rechtsverletzung nicht beseitigen, sofern eine Wiederaufnahme eines - zumindest ähnlichen - Geschäftsbetriebes nicht ausgeschlossen werden kann.

Eine Unterlassungserklärung kann dabei unter Umständen auch gegenüber einem Dritten abgegeben werden, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Jedoch ist eine solche Drittunterwerfung nicht in jedem Fall geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

So hat das OLG Frankfurt entschieden, daß bei der Abgabe der Unterlassungserklärung gegenüber einem Dritten - im dort entschiedenen Fall die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs - die Wiederholungsgefahr nicht entfällt, wenn der Dritte die Unterwerfungserklärung zwar entgegenimmt, aber nicht annimmt. Es entfalle dann der Sanktionsdruck einer drohenden Vertragsstrafe, der für die Unterwerfung wesentlich sei (OLG Frankfurt, Urteil vom 9.10.2008, Az. 6 U 128/08). Daraus folge, daß lediglich die Abgabe einer Unterwerfungserklärung gegenüber dem Abmahner selbst oder einem anderen verfolgungsbereiten Unterlassungsgläubiger die Wiederholungsgefahr entfallen lässt. Eine unaufgeforderte Unterlassungserklärung führe nur dann zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, wenn sie vom Empfänger auch tatsächlich angenommen und nicht bloß entgegengenommen werde.

Bei wirksamer Unterlassungserklärung wirkt diese schließlich auch dahingehend, daß ein gesonderter Unterlassungsanspruch eines weiteren, durch dieselbe Verletzungshandlung Betroffenen, nicht mehr besteht, sofern der Rechtsverletzer zeitlich anschließend ein weiteres Mal wegen der selben Verletzungshandlung abgemahnt werden sollte. Es muß in diesem Fall dann keine erneute Unterlassungserklärung abgegeben werden, da die Wiederholungsgefahr bereits durch die zuvor dem ersten Abmahner gegenüber abgegebene Erklärung beseitigt wurde.

Die Wiederholungsgefahr kann allerdings im ungewöhnlichen Ausnahmefall auch schon vor Abgabe einer solchen Erklärung nicht mehr bestehen. Solche Fälle sind jedoch rar, wobei nach der Rechtssprechung die folgenden Kriterien zur Beurteilung herangezogen werden können.

Im Deliktsrecht kann danach "der Schwere des Eingriffs, den Umständen der Verletzungshandlung, dem fallbezogenen Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und vor allem der Motivation des Verletzers für die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr Gewicht zukommen, KG Berlin, Beschluss vom 15.11.2004, Az.W 154/04.

In den folgenden Fällen haben Gerichte, teilweise entgegen der höchstrichterlichen Rechtssprechung, einen solchen Ausnahmefall angenommen:

Das Amtsgericht Nienburg hat die unwidersprochene Zusendung eines unverlangten E-Mail-Newsletters über einen Zeitraum von 6 Wochen in Verbindung mit der Einstellung der weiteren Zusendung nach Erhalt einer Abmahnung auch ohne Abgabe einer strafbewhrten Unterlassungserklärung für die Widerlegung der Wiederholungsgefahr weiterer Rechtsverletzungen ausreichen lassen. Denn die Weigerung des Rechtsverletzers, nach Erhalt der Abmahnung eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, sei nachvollziehbar, weil mit der Abgabe einer Unterlassungserklärung die Begleichung der Gebührenforderung des beauftragten Rechtsanwalts verbunden gewesen wäre. Ein derart systemwidriges Urteil eines Amtsgerichts muss trotz weitereichender Inkompetenz bundesdeutscher Amtsgerichte im IT-Recht als ein einmaliger Glücksfall für den Rechtsverletzer angesehen werden, da die Angst des Schädigers vor seiner Schadensersatzpflicht natürlich nicht zur Verneinung seiner Stellung als Schädiger führen kann, Amtsgericht Nienburg, Urteil vom 14.04.2004, Az. 6 C 735/03.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr zumindest in dem Fall mangels Wahrscheinlichkeit in Frage gestellt, wenn zwei rechtswirdrige Verhaltensweisen kumuliert zusammen kommen müssten. Im dort zugrundeliegenden Fall hatte ein Nutzer eines Internetportals eine Urheberrechtsverletzung begangen. Dem Betreiber des Internetportals, gegen den sich die Klage richtete, war anschließend eine eigene Verantwortung für den urheberrechtlichen Verstoß vorgeworfen worden, OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.10.2007, Az. 1 W 232/07-49.

Das Landgericht Flensburg hat in einem Einzelfall ebenfalls entschieden, das schon vor Abgabe einer strafbewehrten Unterwerfungserklärung eine Wiederholungsgefahr von vorneherein nicht bestand. Im dortigen Fall wies das Gericht darauf hin, daß es für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr darauf ankäme, es aber nicht mit absoluter Sicherheit erforderlich sein müsse, ob trotz der tatsächlichen Verhaltensweise des Störers (z. B. Aufgabe der Betätigung) die Wahrscheinlichkeit der Wiederaufnahme ähnlicher Tätigkeiten durch den Störer beseitigt sei, LG Flensburg, Beschluss 24.04.2007, Az. 7 S 89/06.

In einem weiteren, den Betreiber/ Host-Provider eines Internet-Diskussionsforums betreffenden Fall entschied das Landgericht Düsseldorf, dass ebenfalls ohne die Abgabe einer Unterlassungserklärung keine Wiederholungsgefahr bestanden habe. Dort hatte der beklagte Betreiber rechtsverletzende Beiträge von Nutzern unverzüglich entfernt und eine Überprüfung des Forums hinsichtlich zukünftiger gleichartiger Rechtsverletzungen beabsichtigt. Dazu führte das Gericht aus: "Die Beklagte ist ihrer Verpflichtung zur Löschung der Äußerungen unverzüglich nachgekommen. Es besteht keine Besorgnis, dass es zu entsprechenden künftigen Beeinträchtigungen kommt. Weder berühmt sich die Beklagte des Rechts, den Beitrag weiter verbreiten zu dürfen, noch hat sie es abgelehnt, das Forum künftig auf etwaige Verletzungshandlungen zu überwachen. Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben lediglich das Ansinnen zurückgewiesen, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben zu müssen." Daher fehle es an einer Wiederholungsgefahr, die nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung ausgeräumt werden könne, LG Düsseldorf, Urteil v.27.6.2007, Az. 12 O 343/06.

Eine weitere Gerichtsentscheidung betraf den Fall, dss ein e-bay-Händler eine negative Bewertung erhalten hatte und sich dagegen per einstweiliger Verfügung zur Wehr setzen wollte. Das Landgericht Bad Kreuznach entschied in diesem Fall, daß für die Zukunft keine unmittelbar drohende Gefahr eines widerechtlichen Eingriffs bestand. So hat es ausgeführt, daß die Antragsgegnerin die vorgeworfene Bewertung nicht auf einem jederzeit eröffneten Medium abgegeben habe, bei dem die Möglichkeit bestünde, sie jederzeit zu wiederholen. Vielmehr erfolgte die Abgabe der Bewertung im Anschluss an ein bestimmtes Rechtsgeschäft mit dem Antragsteller im Rahmen der hierfür von ebay vorgesehenen und nur einmalig eröffneten Möglichkeit, einen Text abzusetzen. Mit der einmaligen Abgabe einer Bewertung sei diese Möglichkeit zukünftig verschlossen, so dass nicht ersichtlich sei, dass die Antragsgegnerin nunmehr noch im Rahmen von ebay die Möglichkeit habe, die ihr vorgeworfene Erklärung zu wiederholen, LG Bad Kreuznach, Beschluss v.13.7.2006, Az. 2 O 290/06.

Wer allerdings eine vom Schuldner angebotene Unterlassungserklärung zurückweist und dennoch auf Unterlassung klagt, geht ein hohes Risiko ein, den Prozess zu verlieren. Denn eine vom Schuldner abgegebene einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung lässt, wenn sie ernsthaft ist und auch inhaltlich den an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen entspricht, die Wiederholungsgefahr unabhängig von einer Annahmeerklärung des Gläubigers und daher gegebenenfalls auch schon vor einer solchen entfallen; so ausdrücklich BGH, Urteil vom 17. September 2009, Az. I ZR 217/07. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Recht der unerlaubten Handlung ein Rechtsverstoß - ähnlich wie im Wettbewerbsrecht - im Regelfall eine Wiederholungsgefahr indiziert. Wer in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird, hat in der Regel ausreichenden Anlass, den Verletzer auf Unterlassung entsprechender zukünftiger Handlungen in Anspruch zu nehmen. Die Wiederholungsgefahr wird jedoch dadurch ausgeräumt, dass der Verletzter eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung erklärt (vgl. BGH NJW 1994, 1281). Diese Grundsätze gelten bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts - insoweit abweichend vom Wettbewerbsrecht - nicht einmal uneingeschränkt, so dass die Vermutung der Wiederholungsgefahr - die sich aus der Rechtsverletzung ergibt - im Einzelfall sogar ohne strafbewehrte Unterlassungserklärung widerlegt werden kann, wenn sich dies aus den Umständen ergibt. Ein Unterlassungsvertrag mit Vertragsstrafeversprechen oder bereits eine vorausgegangene, den Anforderungen genügende Unterwerfungserklärung entzieht dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch die Grundlage, weil durch die Unterwerfung die Wiederholungsgefahr als materielle Voraussetzung dieses Anspruchs entfällt; so ausdrücklich BGH, Urteil vom 17. September 2009, Az. I ZR 217/07.